Als der Amerikaner Jim Yong Kim vor drei Jahren zum neuen Weltbankchef aufstieg, da wurde seine Wahl ziemlich wohlwollend aufgenommen. Zum ersten Mal seit vielen Jahren wurde kein Wall Street-Banker Chef, der keine Ahnung von der dritten Welt hat, sondern ein Arzt, der viel Erfahrung in der Entwicklungszusammenarbeit gesammelt hatte.
Kaum im Amt verkündete Kim den Umbau des Instituts. Es sei unsinnig, dass die Weltbank nach Ländergruppen aufgeteilt sei. Die Probleme seien heute global. Also müsse die Bank Fachgruppen für Klima, Gesundheit, Armut und so weiter bilden. Kim liess Tausenden von Experten kündigen. Er forderte sie auf, sich erneut zu bewerben, aber auf neue Stellenprofile. Nur so könne er die Bank und ihre Mitarbeiter auf die neuen Ziele ausrichten.
Frustrierte Angestellte
Die Frustration unter den 15'000 Weltbank-Angestellten wuchs. Cord Jakobeit, Professor für Weltwirtschaft an der Universität Hamburg und als ehemaliger Weltbank-Mitarbeiter Kenner des Instituts: «Dieser Mann gibt ihnen keine Sicherheit, sondern stellt die Führungspositionen neu zur Ausschreibung. Sie wissen nicht, ob sie eine Chance haben und nach welchen Kriterien da entschieden wird.»
Cord Jakobeit sagt, der Umbau der Weltbank sei angebracht. Aber: «Was man über den Führungs- und Kommunikationsstil von Herrn Kim hört, ist schon eigenartig.»
In ihrem Brief wirft die Mitarbeiterorganisation dem Präsidenten Führungsschwäche vor. Man habe keine Ahnung, wohin sich die Weltbank entwickeln solle. Bleibe diese Unklarheit, bestehe die Gefahr, dass die Bank irrelevant werde.
Weltbank ist nicht gewachsen wie andere Entwicklungbanken
Peter Wolff ist Leiter Weltwirtschaft beim Deutschen Institut für Entwicklungspolitik. Er interpretiert diesen Vorwurf so: «Damit ist gemeint, dass die Weltbank dem Vergleich zu anderen internationalen Entwicklungsbanken nicht gewachsen ist. Es hat Kapitalerhöhungen bei anderen Entwicklungsbanken gegeben. Damit hat sich die Konkurrenz verbreitert und die Weltbank hat keinen wachsenden Anteil.»
Dass die Weltbank deshalb in die Bedeutungslosigkeit ableiten werde, hält Peter Wolff für massiv übertrieben. Indien, China und andere Ländergruppen hätten zwar ihre eigenen Entwicklungsbanken gegründet. Doch das Kreditvolumen dieser Institute sei sehr klein. Die Weltbank verfüge nach wie vor über die grössten Mittel.
Alle angefragten Weltbank-Kenner sind sich einig. Die Veröffentlichung des Briefes zum jetzigen Zeitpunkt ist kein Zufall. Kims Amtszeit läuft kommenden Juni aus. Noch weiss man nicht, ob er zur Wiederwahl antreten will, doch geht man allgemein davon aus. Cord Jakobeit von der Universität Hamburg sagt dazu: «Was sie klar signalisieren wollen: Wir wollen diesen Mann nicht länger haben.»
Ausgedeutscht heisst das: Der offene Brief ist an den neuen Präsidenten oder die neue Präsidentin der USA gerichtet. DennWashington entscheidet, wer im nächsten Juni das Weltbank-Präsidium übernimmt.