Wer in diesen Tagen in der deutschen Schweiz unterwegs ist, kommt an den eigenartigen Kreaturen kaum vorbei: An allen Ecken starren einem Fabelwesen von Plakatwänden an – Collagen aus Elektronik-Gadgets und Haushaltgeräten, die ein kreativer Werber zu Phantasiegschöpfen zusammengefügt hat. Doch wofür werben diese eigenartigen Lebewesen?
Ein Marktplatz für alle
Hinter der Kampagne steckt die Online-Handelsplattform Siroop, ein Startup, das Coop und Swisscom vor einem Jahr gegründet haben. Auf den ersten Blick vermutet man einen Konkurrenten zu etablierten Elektronikhändlern wie Microspot (ebenfalls Coop), Brack (eigenständig) oder Digitec und Galaxus, die zu Migros gehören.
Siroop verfolgt eine für die Schweiz neuartige Online-Strategie. Das Startup ist im übertragenen Sinn kein Warenhaus, das sich im Besitz eines Händlers befindet. Es gleicht eher einer Shopping-Mall, die an viele verschiedene Anbieter Verkaufsfläche vermietet.
Auf das Web übertragen heisst das: Siroop stellt die Infrastruktur für den Online-Marktplatz zur Verfügung. Auf dieser Plattform können dann Anbieter aus unterschiedlichen Branchen ihre Produkte verkaufen. Das ist eine Kopie der Strategie von Amazon.
Das Startup selber bietet zwar auf der eigenen Plattform über die Siroop Trading AG ebenfalls Artikel an, ist aber bloss einer von unzähligen Anbietern und deckt längst nicht alle Bereiche ab. Obwohl aktuell erst 100 Händler auf der Plattform sind, ist die Produktepalette bereits breit gefächert.
Buntes Angebot
So lässt die Einstiegsseite denn auch erst etwas ratlos zurück: Da präsentieren sich neben EM-Trikots ein rauchfreier Grill (109 Franken), eine Drohne (1'486.65 Franken), ein aufblasbarer Stuhl (150 Franken), ein Raclett-Horn (169 Franken) und eine Stichsäge (39.95 Franken).
Siroop-CEO Constantin Hilt sieht in der Breite dieses Angebotes einen grossen Vorteil für seine Plattform: «Das ist das Tolle für den Kunden. Er kann sich aus einer Vielfalt von Artikeln den Warenkorb zusammenstellen.» Der Kunde könne sich nicht nur einen Fernseher, sondern gleich auch noch ein Parfüm dazu kaufen.
Mich interessiert erst einmal etwas anderes, eine ganz spezielle Kamera. Über die Suchfunktion finde ich gleich zwei Händler, die das Gerät im Angebot führen: Einmal für 1659 Franken und dann die gleiche Kamera noch einmal für 1444.09 Franken. Es herrscht Preistransparenz. Doch wird das nicht zum Problem für den teureren Händler?
«Die Anbieter wissen, dass ihre Angebote transparent dargestellt werden», sagt Constantin Hilt dazu. «Siroop ist eben ein Marktplatz.» Ein Problem sieht er darin nicht. Der Preis sei nicht das einzige Kriterium für ein Entscheidung. Auch andere Merkmale wie etwa die Verfügbarkeit und der Ort, wo ein Produkt abgeholt werden kann, spielen eine wichtige Rolle.
Zurzeit ist das an 69 sogenannten Pick-up-Stationen möglich. Dieses Verteilnetz soll laufend ausgebaut werden, denn es habe sich gezeigt, dass es berufstätigen Kunden ein grosses Bedürfnis ist, dass sie die Ware dann abholen können, wenn sie Zeit dazu finden, meint Constantin Hilt. Auch Konkurrent Digitec/Galaxus investiert mit Migros in eine solche Dienstleistung.
Siroop will damit eine Verbindung schaffen zwischen neuem Online-Shopping und althergebrachtem Einkauf im Laden. Ein Grund dafür: So kann sich ein Schweizer Online-Marktplatz von internationalen Konkurrenten wie Amazon unterscheiden, die weit weg von Schweizer Anbietern und Konsumenten operieren.
Doppelt gemoppelt
Das scheint die Händler zu überzeugen. Neben den 100 Anbietern, die ihre Produkte bereits über die neue Plattform verkaufen, ist Siroop nach eigenen Angaben zur Zeit mit weiteren 800 Interessierten in Verhandlung.Was auffällt: Viele der aktiven Händler sind keine Neulinge im Online-Handel und ergänzen ihre bereits bestehenden Shops mit einem Angebot bei Siroop. Elektronik-Anbieter Brack etwa ist eine bereits etablierte Marke; der Online-Shop des Buchhändlers Lüthy Balmer Stocker gehört zu den Pionieren im Online-Handel.
Für Miriam Cahannes, Leiterin der Bestellabteilung des Buchhändlers, ist diese Doppel-Strategie kein Widerspruch. Über Siroop könne sie neue Kundinnen erreichen, in Bern etwa, wo das Startup intensiv Werbung macht. Auch die Preistransparenz ist für Miriam Cahannes kein Problem: «Die Kunden vergleichen die Preise so oder so.» Die neue Plattform mache das nur ein bisschen einfacher.
Umgekehrt stört sich auch Siroop-CEO Constantin Hilt nicht am Doppelleben der Händler. Im Gegenteil: Ein möglichst breites Angebot ist das Ziel seiner Plattform. Selbst Erzrivale Migros würde er auf der Coop-Plattform begrüssen.
Ob Kunden ein so breites Angebot tatsächlich wünschen oder ob sie sich darin nicht eher verlieren, wird sich zeigen. Viel hängt von der Suchfunktion ab, die für jeden Online-Shop zentral ist, sagt Hilt.
Bei Siroop ist diese Herausforderung besonders gross: Im Gegensatz zu anderen Shops beschränkt sich der Neuling nicht auf einzelne Produktekategorien. Das Startup hat deshalb ein Kernteam eingesetzt, dass sich nur um die Suche kümmert.