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Video
WM 1954: Das «Wunder von Bern»
Aus Sport-Clip vom 16.06.2020.
abspielen. Laufzeit 1 Minute 49 Sekunden.

«Wunder von Bern» 1954 Deutschland gegen Ungarn: Ein legendäres Duell

Spielt Deutschland gegen Ungarn, dann zeigt sich jeweils, dass das «Wunder von Bern» auch 70 Jahre später noch unvergessen ist.

Nach dem gelungenen Auftakt gegen Schottland gewinnt EM-Gastgeber Deutschland am Mittwoch auch gegen Ungarn mit 2 zu 0. Deutschland galt vor dem Spiel bei den Wettbüros als klarer Favorit. Anders als vor 70 Jahren, als sich die beiden Mannschaften im WM-Final in Bern gegenüberstanden. Damals rechnete niemand mit einem Sieg der Deutschen.

Die Teamleader Ferenc Puskas (HU) links und Fritz Walter (DE)
Legende: Die Teamleader Ferenc Puskas (HU) links und Fritz Walter (DE). KEYSTONE / PHOTOPRESS-ARCHIV / Str

Das bestätigte auch der 2015 verstorbene Sportjournalist Sepp Renggli, der die Partie damals zusammen mit über 60'000 Fussballinteressierten live vor Ort mitverfolgte. Die grosse Mehrheit des Publikums im Berner Wankdorfstadion sei für Ungarn gewesen. «Obwohl es wie aus Kübeln regnete, war sonnenklar, die Ungarn werden gewinnen», sagte Renggli 2010 bei der SRF Musikwelle.

Audio
WM-Final 1954: Renggli erinnert sich mit Originaltönen von Zimmermann
aus Sinerzyt vom 22.06.2010. Bild: Keystone
abspielen. Laufzeit 4 Minuten 54 Sekunden.

Als dann kurz vor Schluss Deutschland das 3:2 schoss, war die Überraschung perfekt. Der westdeutsche Sportkommentator Herbert Zimmermann konnte es, genau wie seine Zuhörenden, kaum fassen. Bis zum Spielende konnte er sich kaum mehr beruhigen.

Sepp Herberger und Fritz Walter wurden auf Händen getragen.
Legende: Sepp Herberger und Fritz Walter wurden auf Händen getragen. KEYSTONE / PHOTOPRESS-ARCHIV / Str

Seine euphorische Radio-Liveberichterstattung fesselte die Zuhörenden in der Heimat, bis dann endlich der erlösende Abpfiff kam und es aus Zimmermann herausbrach: «Aus, aus, aus! Das Spiel ist aus! Deutschland ist Weltmeister.»

Nicht nur sportgeschichtlich ein entscheidender Titel

Wer das dramatische Spiel damals mitverfolgte, sei es live im Stadion, am Radio oder gar am Fernseher, welcher die Weltmeisterschaften erstmals live übertrug, vergisst den Moment nicht mehr, als Deutschland überraschend den Titel holte.

2001 verriet z.B. der damalige deutsche Bundeskanzler Gerhard Schröder SRF, dass er noch heute in den Archivaufnahmen jeden Spieler mit Namen nennen könne. «Das ist präsent, das hat sich eingegraben». Er habe das Spiel als 10-Jähriger in einer Kneipe im Fernsehen live mitverfolgt. «Da bin ich mit dem Fahrrad hin und hab mir das angeguckt. Das sind Erlebnisse, die vergisst man nicht.»

«Wir sind wieder wer»

Der Weltmeistertitel der deutschen Nationalelf geht nicht nur wegen dem überraschenden Sieg bei strömendem Regen in die Geschichtsbücher ein. Er markiert einen wichtigen Punkt in der Identitätsgeschichte der noch jungen Bundesrepublik Deutschland.

«Wir sind wieder wer» wurde zum geflügelten Begriff für die Zeit nach dem Weltmeistertitel. Dieser wurde gar schon als eigentliche Geburtsstunde der Bundesrepublik bezeichnet. Der Sieg stärkte auf alle Fälle das Selbstbewusstsein der Nation, die sich neun Jahre nach dem Krieg in einer kollektiven Depression befand.

Teamleader und Mannschaftskollegen nach dem Spiel im Stadion Wankdorf.
Legende: Weitaus mehr als Sport: Der Sieg bedeutete der Nation alles. KEYSTONE / Photopress-Archiv / STR

Daran erinnerte sich 2003 auch einer der damaligen Weltmeister Horst Eckel (1932–2021) gegenüber SRF: «Davor waren wir wirklich noch ganz am Boden. Nach dieser Weltmeisterschaft haben die Menschen gesagt: Wir sind Weltmeister geworden. Das Wir-Gefühl ist wieder ganz gross geworden.»

Auf dieses «Wir-Gefühl» oder zumindest eine erfolgreiche Europameisterschaft im eigenen Land hofft Deutschland aktuell auch wieder. Damit die EM möglichst ein Erfolg wird, reiste eine Delegation des Deutschen Fussball-Bundes vor dem Turnier eigens nach Spiez im Berner Oberland.

Im Hotel Belvédère war damals die deutsche Mannschaft einquartiert und bereitete sich auf die Sensation gegen Ungarn vor. Ob die Beschwörung des «Geistes von Spiez» die Deutschen gar bis zum EM-Titel weiterhin beflügelt, zeigt sich in den nächsten Tagen.

SRF Musikwelle, 18.6.2014, 13:40 Uhr

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