Ich mag Batman nicht mehr.
Das war für mich die überraschendste Erkenntnis beim Spielen von «Batman: Arkham Knight». Denn so wie die meisten hielt ich Batman immer für den coolsten Superhelden. Weil er nicht eine Jesus-Figur ist wie Superman, weil er blutet wie wir, weil es einfach interessanter ist, mit einem gebrochenen Antihelden mitzufiebern.
Doch offenbar habe ich jetzt genug davon. Die Christopher-Nolan-Filme haben das Motiv des Dunklen Ritters abschliessend ausgekostet. Der Batman, den wir heute sehen, ist zutiefst gestört und gleichzeitig mit beängstigender Macht ausgerüstet. Er hat als Multimilliardär unbeschränkte Ressourcen und sieht alles und jeden, kann auf alle Daten zugreifen, hat Technologie zur Verfügung, die sonst niemand hat.
Natürlich verspricht er, diese Macht verantwortungsvoll zu nutzen. Doch einem einzelnen Mann mit psychischen Problemen so umfangreiche Vollmachten zuzugestehen, ist ein unverantwortliches Klumpenrisiko.
Emotionsloser Psychopath
Zum Zuschauen mag das alles spannend sein. Doch hier schlüpfe ich selbst in die Rolle Batmans. Games sind oft Machtfantasien und ein Superheld ist dafür natürlich besonders geeignet – doch das setzt voraus, dass ich in diese Rolle schlüpfen möchte, dass mich die Figur anspricht. In «Batman: Arkham Knight» ist diese Figur ein emotionsloser Psychopath, der laufend seine engsten Vertrauten hintergeht, mit einem Panzer in der Stadt wütet und gewohnheitsmässig Verbrecher foltert. Sowas will ich nicht sein.
Umwerfend schöner Dauerregen
Das ist schade, denn sonst macht Hersteller Rocksteady alles richtig – abgesehen von der erbärmlichen PC-Version, die für viele so unspielbar ist, dass sie zeitweise aus dem Verkauf genommen werden musste.
Auf der Konsole läuft das Spiel jedenfalls problemlos und sieht umwerfend aus. Wir gleiten im Dauerregen über Gotham, Wachdrohnen suchen uns mit rotem Licht, die Neonwerbung unter uns funkelt und das Cape glänzt nass und ist von den vielen Kämpfen schon etwas zerfetzt.
So viel Abwechslung
Spielerisch ist «Batman: Arkham Knight» abwechslungsreich wie kaum ein anderes Game. Wir fliegen und hangeln uns über die Dächer. Wir hauen und treten Verbrecher in toll choreografierten Kämpfen. Wir schleichen durch Kanäle, entwaffnen Wachen, manipulieren Drohnen, hacken Computersysteme, legen Sprengfallen. Wir leisten Detektiv-Arbeit und rekonstruieren einen Unfallhergang oder folgen einer Spur von Fingerabdrücken. Und schliesslich führen wir im völlig übertrieben hochgerüsteten Batmobil Panzerschlachten.
In der Hauptgeschichte kämpfen wir gegen den furchteinflössend gestalteten Scarecrow, der droht, Gotham mit einem Nervengas zu fluten und so in Wahnsinn und Chaos zu stürzen. Daneben treten viele alte Bekannte auf und bieten ausgedehnte Nebengeschichten: Penguin sollen wir das Waffenhändler-Handwerk legen; Catwoman aus dem Rätselgefängnis des Riddlers befreien.
Wenn wir über Gotham gleiten und uns entscheiden, welches Problem Batman als nächstes lösen soll, erweckt «Batman: Arkham Knight» den Eindruck, ein Open-World-Spiel zu sein; eines, in dem wir jederzeit die Welt entdecken und selber entscheiden können, was wir tun wollen. Doch das ist nicht so: Das Game nimmt uns regelmässig bei der Hand und verhindert allzu freies Herumschwadronieren. So sind beispielsweise Brücken zwischen Inseln hochgezogen und versperren uns den Weg dorthin. Oder wir haben ein bestimmtes Gadget noch nicht und können deshalb ein Rätsel nicht lösen.
So verhindert das Game, dass wir obsessiv alle Nebenstränge erledigen, bevor wir uns wieder mit Scarecrow befassen. Umgekehrt macht es die Kämpfe im Hauptstrang stetig schwieriger und zwingt uns damit, in Nebengeschichten zusätzliche Erfahrung und neue Fähigkeiten abzuholen.
Meisterhafte Dramaturgie
In den ersten Stunden habe ich mich davon etwas gegängelt gefühlt. Wenn ich jetzt erstmal Catwoman befreien will, dann soll ich das dürfen! Doch mit der Zeit gefiel mir die enge Führung immer besser. Denn sie hilft, ein Problem zu verhindern, dass viele Open-World-Spiele haben: Nachdem man eine grössere Aufgabe erledigt hat, fällt man in eine Art Loch – weil so viele neue Möglichkeiten überfordern, erschöpfen.
«Batman: Arkham Knight» dagegen bietet immer sogleich etwas an, macht einen klaren Vorschlag. Und es ist immer abwechslungsreich und unterhaltend. Die Dramaturgie dieses Games hängt nie durch – das ist beeindruckendes Kunsthandwerk.
Und deshalb verzieh ich dem Spiel auch, dass neue Gadgets tropfenweise verteilt werden und dann nur an wenigen Stellen überhaupt zur Anwendung kommen; dass der Batmobil-Panzer irgendwie nicht so recht zu dem Batman passen will, der niemanden tötet; und dass es schwer nachvollziehbar ist, warum der Riddler statt eines Rätsels eine unterirdische Batmobil-Rennstrecke konstruiert. Spass machen diese Elemente dann trotzdem, Abwechslung ist alles.
Aber eben: Ich mag Batman nicht mehr.
Dafür kann das Spiel nichts. Aber ach, hätte ich lieber mit Star-Lord gespielt! Ja genau, das wünsche ich mir: Rocksteady macht, was sie so gut können – aber statt der doofen Fledermaus mit Chris Pratts coolstem Superhelden aus «Guardians of the Galaxy». Es wäre sowas von das Beste, nicht?
«Batman: Arkham Knight» ist für Playstation 4, Xbox One und PC. Es ist ab 18.