Vor mir liegt eine riesige Maschine mit Rädchen, Knöpfen und Schaltern. Und damit darf ich tun und lassen, was ich will. Hier ein Rädchen überdrehen, dort einen Knopf drücken und schauen, was passiert. Wenn das Ganze in die Luft fliegt, erscheint die Maschine wie von Zauberhand wieder vor mir und ich darf weiter experimentieren. So fühlt sich für mich das Spiel «Hack 'n' Slash» an.
Hack the Planet!
Dabei beginnt es eigentlich wie ein klassisches Rollen- oder Abenteuer-Spiel: Alice wacht in einem Verlies auf. Sie sieht aus wie ein Elf, oder noch besser: wie die weibliche Variante von Link aus dem Spiel «Zelda». Bald taucht ihr Begleiter Bob auf, eine Art pinker Wassertropfen mit starken Stimmungsschwankungen, Flügeln und Punkfrisur. Das Spiel lässt mich deren Standardnamen ändern und in einem äusserst kreativen Moment nenne ich die beiden Meow und Boo.
Meow und Boo müssen nun gegen die Machenschaften des bösen Zauberers Christo kämpfen und schliesslich eine Prinzessin befreien. Bis ich aber bei Christo (und der Prinzessin) auf dem Palastdach lande, stellen sich mir zahlreiche Rätsel in den Weg.
Die Rätsel löse ich zu Beginn mit einem Schwert, das aussieht wie ein USB-Stick. Überall, wo ich im Spiel einen entsprechenden USB-Anschluss finde, kann ich direkt in den Code des Spiels eingreifen und damit Gegner und Hindernisse «hacken». Zu Beginn ist Meow etwa in ihrem Verlies eingesperrt. Hackt sie aber mit ihrem Schwert auf den USB-Anschluss der Verliestüre ein, erscheint ein Fenster, in dem sie den Offen-Wert der Zellentüre von «false» auf «true» setzt, und tadaaa!, die Tür geht auf.
Aber dieses Spielkonzept haben die Entwicklerinnen und Entwickler noch weiter gedacht: Im Verlauf des Spiels erhalte ich weitere Gegenstände, mit denen ich komplexere Rätsel lösen, noch tiefer in das Spiel eingreifen kann. Ich erhalte etwa einen Hut, der mir das darunterliegende Gerüst einer Spielszene zeigt, einen Bumerang, um Objekte aus der Ferne zu hacken, oder eine Bombe, mit der ich Dinge hacken kann, die keinen USB-Anschluss haben.
Wandern im Programmcode
In «Hack ’n’ Slash» löse ich also knifflige Rätsel und spaziere gleichzeitig durch eine Art visualisierte Welt des Programmierens. In einem späteren Stadium des Spiels muss ich dann auch tatsächlich mit Meow in Programmcode tauchen und einzelne Werte manipulieren, damit Tore aufgehen und Brücken korrekt gebaut werden.
Dazu springt Meow mithilfe einer Lupe in ein schwarzes Loch, das sie in den Code eines Gegenstands führt – dargestellt als einen Raum, in dem zahlreiche Terminals stehen. Hinter diesen Terminals verbergen sich Maschinenräume. Mit dem Schwert hackt Meow auf die Maschinen ein, um damit den Programmcode direkt zu manipulieren. «Hack ’n’ Slash» lässt mich also zwischen den Spielebenen hin- und herspringen – von der Ebene des eigentlichen Spiels in den Code, der das Spiel bestimmt.
Ein Spiel, das als zentrale Spielmechanik sich selber in seiner Struktur abändern lässt: Das hat mich zu Beginn weg einfach begeistert. Selten hörte mich mein Umfeld so oft vor Spass beim Spielen ausrufen.
Alice, Bob und Schildkröten
Auch das Spieldesign, die Liebe zum Detail und die zahlreichen Anspielungen und Wortspiele zeigten mir, dass die Entwicklerinnen und Entwickler viel Herzblut in das Spiel hineingesteckt haben.
Alice und Bob etwa, die Standardnamen der Spielfiguren, sind Platzhalternamen in der Kryptografie. Die Schildkröten, die sich Meow in den Weg stellen, verweisen auf ein Lernprogramm, um Programmieren zu lernen ( die Turtle in Logo ). Und der Natur des Spiels folgend, gibt es kein «Game Over», wenn meine Code-Experimente zur Lösung des Rätsels schief gehen. Vielmehr kollabiert das Spieluniversum – das Spiel stürzt ab, wie das auch beim Programmieren geschehen kann, und ich muss den Level neu laden.
Einige Schwächen – aber die sind zu verzeihen
So viel Herzblut und Innovation verzeihen auch einige Schwächen des Spiels. «Hack ’n’ Slash» ist im Design eines klassischen 2D-Abenteuerspiels der 90er-Jahre gehalten. Daran musste ich mich etwas gewöhnen, vor allem, weil die Steuerung unsauber ist: Meow fiel mir häufig von irgendwelchen Plattformen und Rändern herunter. Zwar erschien sie gleich wieder an der vorherigen Stelle, was aber trotzdem ein nervendes Detail war. Ein bisschen mehr Entwicklungszeit hätte dem Spiel gut getan.
Das Spiel ist auch nichts für zwischendurch: Die jeweiligen Räume, in denen sich Meow bewegt, werden zurückgesetzt, wenn ich das Spiel zwischendrin verlasse. Schraube ich also am Code herum und beende das Spiel, ohne ein spezifisches Rätsel gelöst zu haben, muss ich beim nächsten Mal nochmals von vorne beginnen, um es zu lösen. Argh!
Trotzdem hat mich das Spiel immer bei der Stange halten können, gerade weil es die Experimentierfreude in mir weckt. So viele Möglichkeiten! So spannende Rätsel! Und schliesslich ist das Spiel eine eigentliche Lehre im Scheitern: Stürzt mein Rätsel-Experiment ab, probiere ich es nochmals, aber mit einem besseren Verständnis, wie der Code funktioniert.
«Hilfe, muss ich für «Hack ’n’ Slash» programmieren können?»
Nun stellt sich die Frage, ob man für «Hack 'n' Slash» programmieren können muss. Die Antwort ist: nein. In «Hack ’n’ Slash» muss ich um Ecken denken und kreative Wege finden, um zur Lösung zu kommen. Kenntnis der Programmiersprache Lua, in der das Spiel grösstenteils geschrieben ist, braucht man nicht.
Natürlich war ich bei den ersten richtig schwierigen Rätseln überwältigt von dem Code, der sich mir entgegenstellte und auch etwas frustriert: muss ich denn das alles verstehen? Auch hier: nein. Denn der Code überdeckt meist absichtlich eine eher einfache Lösung, ein einzelnes Element im Code, das es zu finden gilt. An der ersten grossen Hürde, bei der ich lang herumknobelte, nahm ich schliesslich das Internet zu Hilfe – und lernte anhand dieser Lösung, wie die weiteren Rätsel funktionierten.
Schöner hören, schöner spielen
Besonders Freude machte mir der Soundtrack: Schon das vorherige Spiel «Broken Age» von Double Fine gefiel mir mit seinem sorgfältig komponierten Soundtrack. Auch der Soundtrack von «Hack ’n’ Slash» von Paul O’Rourke gefiel mir: frech, elektronisch und passend zum Spielkonzept. Ausser, ich hing an einem Rätsel fest und hörte stundenlang denselben Hintergrundsound. Aber das gehört wohl zu jedem Abenteuer-Spielerlebnis. Und Boo’s « Modemsong » war definitiv eine versteckte Audioperle im Spiel.
«Hack ’n’ Slash» holte mich trotz kleiner Schwächen und steil ansteigendem Schwierigkeitsgrad immer wieder für Stunden an den Rechner. Double Fine ist ja auch nicht irgendwer: Hinter der Firma steckt Tim Schafer, eine wichtige Figur innerhalb der Spielgeschichte. Er war bei bekannten Adventure-Klassikern der 90er-Jahre mit dabei, so etwa bei «Day of the Tentacle», «Monkey Island» und «Grim Fandango».
Ab dem Jahr 2000 machte er sich mit der eigenen kleinen Spiele-Firma Double Fine selbständig. Das letzte grosse Spiel von Double Fine, «Broken Age» (2014), war über die Crowdfunding-Plattform Kickstarter entstanden und ist eines der Projekte, die am meisten finanzielle Unterstützung erhielten.
«Hack ’n’ Slash» entstand unter ähnlichen Bedingungen, und zwar während einer zweiwöchigen Veranstaltung von Double Fine, in der die Firma öffentlich Spiele-Prototypen entwickelte. Interessierte konnten einen Minimalbetrag spenden, um über 23 Konzeptideen abzustimmen. Aus den fünf Ideen, die am meisten Stimmen erhielten, entwickelte Double Fine danach komplette Spiele. «Hack ’n’ Slash» erhielt am meisten Stimmen. Zu Recht.
«Hack ’n’ Slash» ist auf Steam für Windows, Mac und Linux erhältlich (nur auf Englisch).