Eigentlich ist der Start der Xbox One in der Schweiz ein Nicht-Ereignis. Denn die neue Konsole von Microsoft, Nachfolger der nun fast neunjährigen Xbox 360, ist eigentlich schon im November 2013 erschienen. Und zwar nicht nur im Heimmarkt USA, sondern auch in allen Ländern um uns herum, Deutschland, Frankreich, Italien und sogar Österreich.
Die Gamer, die eine Xbox One wollten, haben also wohl schon lange eine importiert (und können sie nun ohne Nachteile auf «Schweiz» statt «Deutschland» umstellen).
Miserabler Markteintritt
Doch nicht nur aus Schweizer Sicht ist beim Markteintritt der Xbox One fast alles schief gelaufen, was schief laufen kann. Ich werde den Eindruck nicht los, dass Microsoft von Konkurrent Sony mit der frühen Ankündigung der Playstation 4 im Februar 2013 überrascht wurde und die Konsole schneller lancieren musste, als ursprünglich geplant war.
Microsoft zog zwar nach, doch sogleich gingen wilde Diskussionen in aller Öffentlichkeit (zumindest der Game-Interessierten) um einzelne Funktionen der neuen Konsole los: um Kopierschutzsysteme, um den Preis, um inbegriffenes Zubehör. Microsoft musste einige Kehrtwenden erklären und hinterliess einen schlecht koordinierten, unüberlegten Eindruck.
Kinect verbannt
Die wichtigste dieser Kehrtwende: Microsoft hatte monatelang vom neuen, verbesserten Kinect-Sensor geschwärmt, der Sprachsteuerung ermöglichen soll und uns über die Kamera berührungslos mit der Konsole interagieren lässt. Doch dann sah Microsoft ein, dass die Xbox One mit Kinect einen schweren Preisnachteil gegenüber der Playstation 4 hat. Seit Mai dieses Jahres gibt es nun eine Xbox One auch ohne den Kinect-Sensor, was diese Version um 100 Franken billiger und so konkurrenzfähig macht.
Diese Umkehr bedeutet aber auch, dass Kinect nicht mehr Standard ist und so für Entwickler unattraktiver wird. Microsoft musste sich dem Preisdruck beugen und eines der wichtigsten Unterscheidungsmerkmale ihrer Konsole in die Nische der Party- und Kinder-Spiele verbannen.
Schweiz in der zweiten Reihe
Dass die Xbox One in der Schweiz fast ein Jahr später lanciert wird, ist schwer erklärbar. Die Presseleute von Microsoft bemühen sich zwar redlich und führen beispielsweise Lizenzverhandlungen an: Die Rechte für Filme, Fernsehserien, Musik müssen ausgehandelt werden. Weil man mit der Xbox One auch TV-Set-Top-Boxen kontrollieren können soll, muss man mit lokalen Anbietern wie Swisscom oder Cablecom sprechen und schauen, dass das technisch auch alles einwandfrei funktioniert.
Diese ohne Zweifel aufwändigen Absprachen und Verhandlungen hätte man ohne den Zeitdruck wohl lieber rechtzeitig vor einem Launch statt im Nachhinein erledigt. Doch Microsoft wollte der Konkurrenz Playstation 4 nicht einfach einen monatelangen Vorsprung gewähren.
Schaut man nun die aktuellen Verkaufszahlen an, muss man diese «Schnell starten, nachher aufräumen»-Strategie in Frage stellen. Während Sony im August stolz und selber überrascht 10 Millionen verkaufte Playstation 4 verkündete, hat Microsoft etwas kleinlaut letztmals im April kommuniziert: 5 Millionen seien an die Händler ausgeliefert (also nicht durchverkauft).
Gross, leise
Nun ist sie aber da. Einmal ausgepackt fällt auf, wie gross die Konsole ist – nach anfänglichen Problemen mit Abwärme beim Vorgängermodell wollte man kein Risiko eingehen. Eingeschaltet ist die Konsole leise; rein subjektiv empfinde ich sie leiser als die Playstation 4.
Die glänzenden, Klavierlack-ähnlichen Oberflächen gefallen mir nicht, weil sie Staub und Fingerabdrücke anziehen (wie auch die Wii U). Das riesige externe Netzteil ist bei einer Xbox wohl einfach Tradition. Und das eckige Kastendesign ist schlicht langweilig. Doch weil die Box ja einfach irgendwo unscheinbar unter dem Fernseher steht, fällt das nicht ins Gewicht.
Die Konsole einzurichten verlief glatt und problemlos. Gleich fielen mir auch schöne Details auf wie der Umstand, dass die Xbox One ohne Hilfe zwei verschiedene TV-Geräte erkannte und diese mit der Box zusammen ein- und ausschalten kann.
Mit der Xbox One reden
Als nächstes probierte ich die Sprachsteuerung mit Kinect aus. Viel erwartet hatte ich nicht und wurde bestätigt. Ja, einige Befehle funktionieren gut, wie «Xbox, gehe zu Einstellungen» oder «Xbox, einschalten» (wofür die Stromspar-Optionen der Konsole allerdings korrekt eingerichtet sein müssen).
Aber das hat nichts damit zu tun, irgendwie natürlich mit der Konsole zu sprechen. «Xbox, spielen!» oder «Xbox, starte Forza» ignoriert sie. Stattdessen muss ich brav das korrekte Sätzlein «Xbox, gehe zu Forza Motorsport 5» aufsagen, um die Konsole dazu zu bringen, das Spiel zu starten. Auf nicht verstandene Befehle gibt die Konsole auch keinerlei Feedback, was mich ständig im Ungewissen lässt, ob sie mit Lautstärke oder Akzent ein Problem hat oder ob die Sprachsteuerung gar unabsichtlich deaktiviert wurde.
Ausserdem ist die Liste der Befehle, welche die Konsole versteht, sehr kurz. Es ist völlig klar, wer hier wen trainiert. Abgesehen vielleicht vom Einschalten der Konsole auf Zuruf möchte ich nicht mehr weiter mit der Konsole sprechen – weil ich mir dabei wie ein dressiertes Äffchen vorkomme.
Die Hardware
Es ist etwas müssig, die Hardware mit der Konkurrenz zu vergleichen. Wie die folgende Tabelle zeigt, unterscheiden sich die technischen Details nur minimal.
Der neue Xbox-One-Kontroller unterscheidet sich kaum vom Vorgänger. Einzige echte Neuerung ist, dass die Trigger auch vibrieren können. In den Spielen, die ich bis jetzt ausprobiert habe, bekam ich aber nicht das Gefühl, das ab jetzt für unverzichtbar zu halten. Persönlich mag ich den symmetrischen, etwas kleineren Playstation-4-Kontroller besser. Und dass Microsoft nach wie vor den wiederaufladbaren Akku für den Kontroller separat als Zubehör verkauft, finde ich frech.
Wenn eine Kennzahl ins Gewicht fällt, dann ist es der Arbeitsspeicher. In modernen Spielen ist der die begehrteste Grösse. Entwickler finden die neue Konsolengeneration genau wegen der viel grösseren Arbeitsspeicher aufregend. Dass hier die Xbox One weniger zur Verfügung stellt, ist ein klarer Nachteil.
Erst so halb Multimedia-Zentrale
Das ist der Preis, den die Xbox One für das Konzept bezahlt, eine Multimedia-Zentrale sein zu wollen. Die Möglichkeit, ein Game zu spielen und gleichzeitig in einem zweiten Fenster TV zu schauen oder sich per Skype mit jemandem zu unterhalten, bedeutet, dass die Xbox One Speicher für andere Anwendungen freihalten muss und den Spielen nicht die ganzen 8 GB geben kann.
Ob sich die Xbox One denn als die zentrale Kiste unter dem Fernseher durchsetzen kann, ist aber noch offen. In der Schweiz lässt sich das im Moment nicht beurteilen, da Dienste wie ein Programm-Guide (EPG), Zattoo oder Netflix noch nicht bereit sind.
Immerhin schon viele gute Spiele
Einen Vorteil hat der verkorkste Markteintritt der Xbox One allerdings: Weil die Konsole schon fast ein Jahr alt ist, gibt es bereits viele gute Spiele. Wer also bis jetzt Geduld hatte, kann auf einen deutlich besseren Spielekatalog zugreifen, als das sonst beim Start einer neuen Konsolengeneration üblich ist (auch wenn viele dieser Spiele nicht exklusiv auf der Xbox One erschienen).
So würde ich persönlich auf die meisten Launch-Titel verzichten. «Forza Motorsport 5» gefällt zwar allen, mir hat es aber zu viel «Top Gear» und zu wenig Seele drin, ich ziehe «Gran Turismo 6» vor. «Ryse: Son of Rome» ist abstossend brutal und sonst zum Vergessen. «Dead Rising 3» leidet unter dem schlechtesten deutschen Voice Acting, das ich seit langem gehört habe.
Stattdessen würde ich vorziehen: den innovativen Shooter «Titanfall», das Schleichspiel «Thief» oder die Töffli von «Trials Fusion». Und meinetwegen auch «Watch Dogs», das ich zwar doof fand, aber vielen von euch gefällt.
Die Xbox One wird mit einem Kontroller ausgeliefert, entweder mit Kinect-Sensor für 600.- oder ohne Kinect für 500.-. Weitere Kontroller kosten rund 60.-. Ein Akku (statt Batterien) für die Kontroller kostet 30.-. Die Mitgliedschaft bei Xbox Live Gold kostet 80.- pro Jahr.
Weitere Artikel zur Xbox One:
Xbox One: ein Gerät im Wohnzimmer – mit Hund und Armbehaarung: Fast acht Jahre nach der Xbox 360 stellt Microsoft die nächste Generation vor.
Xbox One: Die grose Kehrtwende, mit Haken: Nach lautstarken Protesten hat Microsoft die Einschränkungen der Spielkonsole Xbox One rückgängig gemacht