Keine Angst. Ich werde hier nicht vom realen und digitalen Leben sprechen. Natürlich ist das digitale Leben längst Teil unserer Realität. Wobei offensichtlich ist, dass das digitale Leben ein komplett freiwilliges ist und der digitale Tod bedenkenlos gestorben werden darf. Niemand käme auf die Idee, einen digitalen Selbstmord als asozial zu bezeichnen. Oder doch?
Der Nachruf auf Justin Bieber
Das Medienecho, als sich Justin Bieber kürzlich von Instagram verabschiedete, war absurd. Man hätte meinen können, das Teenie-Idol sei tot in einem Hotelzimmer aufgefunden worden. Dabei werden bloss 77 Millionen Menschen auf diesem Kanal nicht mehr über das Leben des 22-jährigen informiert. So wild ist das nun wirklich nicht. Vor allem nicht, wenn man bedenkt, dass ein jeder Bieber-Fan für den Bieber selbst viel wichtiger ist, als der Bieber für den Bieber-Fan. Um auf das Bild des digitalen Kokses zurückzukommen: Bei genauer Betrachtung legen in den sozialen Medien letztendlich die Fans dem Künstler eine Linie – und nicht umgekehrt.
Die grössten Social Media-Muffel der Schweiz
Eine der wenigen namhaften Schweizer Bands, die sich vom Social Media-Wahn nicht beeindrucken lassen, sind Züri West. So rar sie sich seit jeher gegenüber herkömmlichen Medien machen, so spärlich ist Ihr Output auf Facebook. Letzter Post: 16. Dezember 2015. Ich finde sie äusserst erfrischend – diese abgestandene Timeline der Berner. I LIKE!
Müssen Erfolgseinbussen in Kauf genommen werden?
Natürlich verzichtet eine Band wie Züri West auf gewisse Möglichkeiten der Kontaktaufnahme mit ihrem Publikum. Mag sein, dass diese Band so nicht die grösstmögliche Fangemeinde erreicht. Gleichzeitig schützt sie sich aber vor unglaublich viel Arbeit und der stets bestehenden Gefahr der Anbiederung. Ausserdem behandeln Züri West ihren einzigen Social Media-Kanal gleichgültig und clever zugleich als Einwegkommunikationsinstrument. I LIKE!
Die gesunde Distanz
Nie wird diese Band ihr Publikum fragen, wie sie ihr nächstes Album nennen soll. Nie werden die Fans den Job der Band machen müssen. Nie wird ein Facebook-Fan dieser Band das Gefühl haben, dass er ihr durch den virtuellen Kontakt so nahe steht, dass er verdammt noch mal ein Anrecht darauf hat, mit der Band nach dem Konzert backstage abzuhängen. I LIKE!
Qualitätskontrolle und geschenkter Support
Das Beste an einem zurückhaltenden Umgang mit den sozialen Medien bedeutet für Bands ausserdem eine unkomplizierte Qualitätskontrolle und im besten Fall aufrechter Support frei Haus. Wer wirklich gut ist, dem wird viel Arbeit abgenommen. Wer zusehen darf, wie Fans seine Produkte verbreiten – ohne, dass er Ihnen zuvor die Füsse wäscht – weiss, dass er gute Arbeit geleistet hat. I LIKE!
Und was ich noch mehr mag: Ich wette, dass der nächste Post, den Züri West absetzt, etwas mit dem neuen Album zu hat, das im nächsten Jahr erscheinen soll.