Das Album von Manillio - aus drei Perspektiven. DJ Mitch Cuts, Mauro & Pablo vom Rap Magazin Bounce geben ihren Senf zu ihren Favorites auf «Kryptonit».
Mauro - Fanboy #1
Der 2.Oktober 2009, eins von vielen überfan-erzeugenden Daten in Sachen Schweizer Rap. Seit dem Release von «Jede Tag Superstar» (Soloalbum 1) würde ich Manillio-Poster im Zimmer aufhängen, wenn es denn welche gäbe. 2013 dann das zweite Album: «Irgendwo». Nur «Harry Potter»-, «Game Of Thrones»- oder «Herr der Ringe»-Lovers können gleichermassen verstehen, wie extraorbitant hart man sich auf ein Follow-Up freuen kann. Auf diesem Album gab es einen hochgradigen Fan-Moment, auf dem Song «Bitte»:
«Mittlerwiile isches Sächsi ond i sitz sitem Zähni, starr wiit id Lääri…»
Die ersten vier Lines des zweiten Parts, waren dermassen gut (Reimstruktur, Feeling, Betonung, Break im Song), dass ich das Gefühl hatte, dass die Lines mir gehörten… Es gab niemanden, der diese Zeilen so abfeierte wie ich.
Nun schreiben wir 2016. «Kryptonit», Manillios drittes Album ist da! Die Vorfreude, das Gefühl und das tatsächliche Resultat sind gleich: Dope! Das Album hat sich in meine linke Hirnrinde gebrannt, als wäre ich halb Mensch, halb Maschine. Und seltsamerweise haben sich wieder vier Zeilen vorgedrängelt. Auf dem Song «808s und Härzchriesi» (der Beat verschwindet für einen Moment, um dann wieder in voller Härte einzuschlagen).
«Sit de Ufklapptelefonzyt hed üs d’Wäut zueklatscht, so wie Reggaetonbeats. G’highfifet före Schribstift, s’Team esch, vielerorts gsi, doch no nie donde mit dim Shit»
Neezy, schenkst mir diese Passage bitte? ^^ M.
Mitch Cuts - ein Blick auf die Produktionen
«Kara Morto»
Eine sehr dreckige, verzerrte, schnoddrige und zugleich sphärisch schleppende Produktion. Da geht (bei mir) mindestens im Hintergrund der Turn-Up-Alarm los. Der Beat liefert eine wunderbare und gekonnt genutzte Bühne für Manillios Raps.
«Kryptonit»
Simpel gehaltene Produktion. Nebst Drums nur Gitarre, Bass und Piano. Ein Track, welchen ich mir sehr gut an einem lauen Sommerabend nur mit Gitarre und Piano vorstellen könnte. Den Sonnenuntergang vor mir, in der Hand ein kühles Helles, auf dem Grill ein Cervelat - wunderschön melancholisch.
«Monbijou»
Mit dem Bassdrum auf 4 von 4 Schlägen ein sehr straighter Beat, der dank später dazukommenden weiteren Bassdrums und leicht versetzten Handclaps, zusätzlicher Perkussion sowie Snare- und Hi-Hat-Rolls doch sehr groovig daherkommt. Gerade der Hook mit dem eingängigen Synthesizer erinnert etwas an aktuelle Major Lazer oder DJ Snake Produktionen, jedoch ohne dem Ganzen einen zwanghaft gesuchten Moombathon-Vibe unterzujubeln. Mit dem Entscheid die Hook mehrheitlich dem Synthie zu überlassen, fühle ich mich als Zuhörer sehr dazu verleitet mindestens im Kopf mitzusummen. Diese zeitgemässen Stilmittel führen hoffentlich dazu, dass aus Monbijou, zumindest szenenintern, ein Sommerhit wird.
Pablo: 1mal durchdrehen, 2mal fliegen bitte
Für mich ist die Hauptleistung dieses Albums die Radiotauglichkeit - ohne Verluste bei Reimketten, Flow, oder Bangerbeats kann ich als relativ Die-Hard-Rapfan auch poppige Songs wie Monbijou feiern. Mein liebster Song ist er aber nicht, dafür:
«Tinnitus» feat. Tommy Vercetti
Ja ja ja. Ich hoffte auf - und erwartete eigentlich - eine Nummer, zu der ich steilgehen und mich Rudeboy-mässig fühlen kann wie zu «Heilige Maria» (ab der EP «Ohni», 2012). Mehr als gelungen. Minimalistische Produktion in den Strophen, dann die martialischen Drums, und dann diese Turn-Up Hook. UND DANN noch Tommys 8 Takte Gift nach oder in dem Refrain - Pablo ist glücklich.
«Zona»
Wieso höre ich Musik? Um mich so oder so zu fühlen. Oder um ein Gefühl zu verstärken. Ich nutze sie als Droge, normal halt. Zu Zona kann ich fliegen, Zona macht mich high und klebt sich wie Melasse in meinen Ohren fest. Augen zu.
«<3» feat Leduc
Woher gopferdori nomol kenn ich dieses Sample? Egal. Jesus. Eigentlich ein ähnlicher Mood wie bei Zona, nur mit dem Unterschied dass Leduc wiedermal unter Beweis stellt, dass er einfach nichts falsch machen kann. Da singt man so gerne mit - ohne sich ein bisschen für seine falschen Töne zu schämen. Schweizerdeutsch klingt selten so cool wie bei den beiden Akteuren.
Wermutstropfen?
Ach. Haters könnten sagen «ui der wollte jetzt aber Radio-Airplay kriegen». Erm. Ja..? Und? «D'sch für Nuttesöhn mit Pooltische» - so Lines droppt keiner, der sich anbiedern will. Ebenfalls könnte man sich vorstellen, dass es Leute gibt, welche keine Freude an den kreativen Wortkonstrukten des Solothurners haben. Und z.B finden: Honigmasse, Ufklapptelefonzyt etc. seien zu gesucht. Aber das feiern wir ja eben. Hmm. Ok, ich hab was: Vielleicht könnte mir Manillios Relaxtheit auf Albumlänge etwas auf mein Adrenalinjunkie-Herz drücken. Dann würde ich mir kurz ein, zwei Lieder Haftbefehl gönnen, und ich könnt wieder. That's it.
Manillio ist Montag, 18.04.2016, zwischen 17 und 18 Uhr live zu Gast bei SRF Virus.