David Bowie doesn't give a fuck. Diesem Motto blieb die britische Musiklegende bis auf seine letzten Tage treu. Die Vorabsingle zu seinem 25. Album «Blackstar» (bzw. «★»)? Ein 10-minütiger Jazz-/Prog-Ausflug mit einem Video, das seinesgleichen sucht.
Oh, oh... Ist «★» also eines jener eigenbrötlerischen, unhörbaren Alben, das Altrockstars veröffentlichen können, weil ihnen niemand mehr dreinreden mag? Ein Album, welches einzig auf den hintersten Seiten des Feuilletons abgefeiert wird? Nein. «★» ist das beste David Bowie-Album seit 30 Jahren.
«Wir haben ziemlich viel Kendrick Lamar gehört»
Seit seiner Herzattacke 2004 gab Bowie keine Konzerte mehr und verweigerte sich jeglichen Interviews. Einblick in seinen Schaffensprozess erhielt man nur durch seinen engen Freund Tony Visconti, der bei allen Bowie-Alben seit der Jahrtausendwende für die Produktion zuständig war.
«Wir haben ziemlich viel Kendrick Lamar gehört», sagte Visconti über die Aufnahmen zu «★» in einem Interview mit dem «Rolling Stone». «Das Ziel war, dem Rock'n'Roll aus dem Weg zu gehen», so Visconti weiter. Beides ist auf «★» nicht zu überhören.
War sein 2013 erschienenes «Comeback»-Album «The Next Day» (Bowie hat zwischen 2003 und 2013 keine Musik veröffentlicht), mehr eine Rückbesinnung an die späten 70er, geht es mit «★» wieder in experimentelle Gefilde mit Vollgas Richtung Zukunft.
Radiohead und Talk Talk lassen grüssen
«★» ist keine leichte Kost: Es gibt wilde Ausflüge mit dem Saxophon, auf eingängige Hooks und Refrains wird grösstenteils verzichtet und die sieben Songs kratzen alle an der Fünf Minuten-Marke.
Straightforwarde Hits wie «Let's Dance», «Modern Love» oder «Young Americans» sucht man auf diesem Album vergebens - mit dieser Art von Musik hat David Bowie vor über 30 Jahren abgeschlossen. Und das ist auch gut so.
«★» ist kein Album, bei dem man sagen könnte «Ah, Bowie macht endlich wieder Musik wie damals, Neunzehnhundert...». Nein, «★» klingt zu 100 Prozent nach 2016.
Auch nach 50 Jahren Karriere noch immer am Puls der Zeit
Versuchen wir kurz noch ein paar musikalische Vergleiche zu ziehen: Stellenweise klingt das Album nach neueren Radiohead («Blackstar»), mal erinnert's an Talk Talk («Girl Loves Me»). Meistens klingt es aber einfach nach David Bowie.
Auf «Lazarus», dem Höhepunkt der Platte, singt Bowie «By the time I got to New York / I was living like a king». Da fühlt man sich dann sogar für einen kurzen Moment wieder so, als ob man gleich zusammen mit Major Tom in die Lüfte abheben kann - bis man unverzüglich von einem Saxophonsolo wieder zurück auf den Boden geschleudert wird.
«★» ist ein willkommener Reminder dafür, dass sich David Bowie auch nach 50 Jahren Karriere nicht in Korsette zwängen liess und bis auf seine letzten Tage seine Finger nach wie vor am Puls der Zeit hatte.