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SRF DOK Frachtschiffe – die unsichtbaren Kolosse der Weltwirtschaft

Vier Fussballfelder lang, beladen mit 18'000 Containern – das ist die neuste Generation der Frachtschiffe. Komplett abgeschirmt, hinter den Kulissen der Gesellschaft, spielt sich dieses Milliardengeschäft ab. Der preisgekrönte Filmer Denis Delestrac hat hingeschaut.

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Denis Delestrac ist ein französischer Filmer und investigativer Journalist. Für seine Filme «Pax Americana» und «Sand Wars» erhiehlt er zahlreiche Auszeichnungen. Denis Delestrac lebt in Barcelona.

SRF DOK: Ich sitze an meinem Pult im Büro und schreibe Ihnen – mein Computer kommt aus Südkorea, meine Handcreme aus Südafrika, ich trage Jeans aus Asien … der ganz normale Wahnsinn, nicht wahr?

Denis Delestrac: In unserer Konsumgesellschaft genügt es, die Hand auszustrecken und schon hat man fast alles. Die Endprodukte werden um die ganze Welt transportiert und meistens zu einem sehr niedrigen Preis verkauft. Die ganze Welt wird als eine einzige Fabrik betrachtet. Verschiedene Arbeiten können an verschiedenen Orten mit geringen Herstellungskosten ausgeführt werden.

Dieses Geschäftsmodell beruht auf billigen Seefrachtkosten und hat einige schreckliche Auswirkungen: Es trägt zur Ausbeutung der Arbeitskräfte in Schwellenländern bei und ist einer der gefährlichsten Auslöser von Umweltverschmutzung mit massiven Folgen für das Klima. Jeden Tag werden 5000 Tonnen giftige Abfälle ins Meer gekippt und zerstören dort die Fauna und Flora. Leider befassen sich weder das Kyoto-Protokoll noch das von fast 200 Ländern unterzeichnete COP21-Klimaschutzabkommen in irgendeiner Form mit der Seefahrt.

Bisher gingen wir doch davon aus, dass die Seefracht eine gangbare Alternative zur Luft- oder Lastwagenfracht darstellt.

Der Seeverkehr ist unverzichtbar, wenn die unaufhaltsam steigende Nachfrage in unserer Gesellschaft erfüllt werden soll, denn Seetransporte sind die effizienteste und kostengünstigste Transportform. Man sollte nicht vergessen, dass die Kosten für die Konsumenten und die Umwelt deutlich höher wären, wenn wir dieselben Mengen per Luftfracht transportieren würden. Aber es werden sehr viele Schiffe eingesetzt und das ist das Problem!

Um in diesem Sektor einen Wandel herbeizuführen, müsste sich unser Wirtschafts- und Gesellschaftsmodell grundlegend ändern. Mein Film beleuchtet einige der Initiativen für alternative Modelle, die sich als wirksam und wirtschaftlich tragbar erwiesen haben. Mit dem Einsatz von Windkraft im Rahmen von anderen bereits existierenden Innovationen lässt sich der Treibstoffverbrauch eines Frachters um 30 bis 40 Prozent senken. Andere Initiativen wie die Online-Plattform «Shipping Efficiency» der NGOs «The Carbon War Room» und «RightShip» tragen zur Aufklärung über die Effizienz der internationalen Frachterflotten bei. Politiker und Institutionen sollten sich nachdrücklich für Reformen und eine Verschärfung der Auflagen im Seefrachtgeschäft einsetzen, damit Reedereien in Zukunft zu einem effektiven Wachstum beitragen können, bei dem niemand am Wegrand zurückbleibt.

Die Reedereien waren nicht bereit mit Ihnen zu sprechen. Wo sehen Sie Möglichkeiten zur Regulierung des Seefrachtgeschäfts und Beschränkungen der Umweltbelastung?

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Die «IMO» (International Maritime Organization) hat erste Schritte zur Begrenzung der Emissionen von Schiffen in Nordeuropa und Teilen von Nordamerika eingeleitet. Die Vorschriften lassen sich aber von ihren Mitgliedstaaten nur schwer durchsetzen, da die «IMO» anders, als die meisten Organisationen der Vereinten Nationen, von den Regierungen ihrer Mitgliedstaaten finanziert wird. In erster Linie von Panama, Liberia und den Marshallinseln. Diese Länder haben auch die drei grössten Frachterflotten der Welt. Sie lassen andere Reedereien gegen Entgelt unter ihrer Flagge fahren. Für die Reedereien lohnt sich dies, da sie so die Steuern und arbeitsrechtlichen Vorschriften in ihren Heimatstaaten umgehen und ihre Gewinne maximieren können. Dies nennt man die «Billigflaggenpraxis». Das Frachtergeschäft wird somit zu einer internationalen Lobby, in der einige wenige mächtige IMO-Mitglieder das Sagen haben.

Was hat Sie bei Ihren Recherchen am meisten beeindruckt?

Wir haben zwei Jahre lang recherchiert und zahlreiche schockierende Fakten zu Tage gefördert. Am meisten dürfte mich eine äusserst alarmierende Tatsache beeindruckt haben: Von den Millionen weltweit verschifften Containern werden ganze 2 Prozent durch den Zoll gescannt oder inspiziert. Für Waffenhändler, Drogenschmuggler und Schlepper ist dies natürlich ideal. 18 Millionen Kisten werden jährlich in einer unablässigen Zulieferkette verschifft, 18 Millionen Stahlbehälter, von denen wir kaum etwas wissen. Es steht allerdings fest, dass terroristische Vereinigungen genau wissen, dass die Seehäfen der Welt bezüglich Sicherheit das schwächste Glied in der Kette der einzelnen Länder sind.

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