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Wiederaufbau in Nepal In Nepal bleibt jede Bautätigkeit eine Herausforderung

Mangel an Fachkräften, Klima, schwerfällige Bürokratie: Die Hürden im Wiederaufbau Nepals sind gross – auch zwei Jahre nach dem Erdbeben.

Zur Person

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Stefan Fürst (*1974) studierte Architektur an der ETH Zürich. Er arbeitete unter anderem für die DEZA in Haiti im Erdbebenwiederaufbau. Stefan Fürst ist Mitglied des Schweizerischen Korps für humanitäre Hilfe und seit Juli 2016 in Nepal bei der Schweizer Botschaft zuständig für den Wiederaufbau nach dem Erdbeben.

SRF DOK: Wo steht Nepal heute?

Stefan Fürst: Nach dem Ende des Bürgerkrieges wurde Nepal 2008 zu einer parlamentarischen Bundesrepublik. Die im September 2015 verabschiedete Verfassung wurde den Erwartungen benachteiligter Gruppen nicht ganz gerecht. Monatelange Proteste und eine Wirtschaftsblockade an der Grenze zu Indien waren die Folge. Die politischen Ereignisse und das schwere Erdbeben im Jahr 2015 bremsten das Wirtschaftswachstum stark. Heute hat sich die Wirtschaft erholt und die politische Lage beruhigt.

Wie sieht das Regierungsprogramm für den Wiederaufbau in Nepal aus?

Nach dem Auslaufen des «UN Shelter Clusters» und der «Housing Recovery and Reconstruction Platform» übernahm die neu gegründete Nationale Wiederaufbaubehörde (NRA) im Juni 2016 die Koordination des Wiederaufbaus.

Die grösste Herausforderung stellt der Wiederaufbau der ca. 750‘000 beschädigten oder zerstörten privaten Wohnhäuser in den schwer zugänglichen Berggebieten dar. Die Regierung Nepals lancierte ein Wiederaufbauprogramm, welches finanzielle und technische Unterstützung zum erdbebensicheren Wiederaufbau in allen betroffenen Gebieten leistet.

Das Programm unterstützt gezielt die Hauseigentümer, die in Eigenverantwortung ihre Häuser aufbauen sollen. Hunderte internationale und nationale Nichtregierungsorganisationen sind in Nepal tätig. Sie decken jedoch lediglich einen kleinen Teil des Wiederaufbaus ab. Der Hauptanteil wird von der Regierung selbst getragen.

Vergleichbare Wiederaufbauprogramme wurden nach Naturkatastrophen ähnlichen Ausmasses erfolgreich umgesetzt, zum Beispiel in Pakistan nach dem Erdbeben im Jahre 2005 oder in Sri Lanka nach dem Tsunami 2004.

Wie lange wird der Wiederaufbau in Nepal dauern?

Auf eine grosse Naturkatastrophe wie dem Erdbeben in Nepal folgen drei Phasen. In den ersten Tagen und Wochen wird Nothilfe geleistet. Es werden Menschenleben gerettet und Grundbedürfnisse gedeckt.

Die zweite Phase nennt man «Early Recovery» (frühe Rehabilitation). Temporäre Bauten werden gebaut, Infrastrukturen und öffentliche Bauten provisorisch instand gestellt. Der Alltag hält langsam Einzug. Diese Phase dauert mehrere Monate. Dann beginnt der eigentliche Wiederaufbau. Bei einem zerstörerischen Erdbeben dieses Ausmasses geht man von einem mehrere Jahre dauernden Wiederaufbau aus.

Nepal im Wandel

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  • Im Mai 2015 hat die Glückskette für die Opfer des Erdbebens in Nepal über 32 Millionen Franken Spenden erhalten. Wie schreitet der Wiederaufbau voran, und was wird gegen mögliche Korruption getan?
  • Filmautor Frank Senn wollte im Jahr 2015 in Nepal eine Fortsetzung drehen über der Sherpas am Mount Everest, doch mit dem Erdbeben kam alles anders.

Wie lange der Wiederaufbau in Nepal tatsächlich dauern wird, hängt von vielen Faktoren ab. Die Anforderungen an Logistik, Koordination und Verwaltung des Wiederaufbaus sind gewaltig. Die Topographie des Landes, in Kombination mit den schlechten Verkehrswegen, stellt eine grosse Hürde dar.

Der Monsun im Sommer und der lange Winter in höheren Lagen führen dazu, dass nur während wenigen Monaten im Frühling und Herbst gebaut werden kann. In den abgelegenen Berggebieten wohnen finanziell eher schwache Bevölkerungsschichten. Arbeitsmigration führt in diesen Regionen zu einem Mangel an Fachkräften.

Erschwerend wirken eine schwerfällige Bürokratie und die unberechenbare Politik Nepals. Die NRA hat von der Regierung den Auftrag erhalten den Wiederaufbau in fünf Jahren abzuschliessen. Der erfolgreiche Wiederaufbau des häufig zum Vergleich beigezogenen Erdbebens in Pakistan im Jahre 2005, dauerte etwa acht Jahre.

Wie präsentiert sich die aktuelle Lage des Wiederaufbaus in Nepal zwei Jahre nach den Erdbeben im April und Mai 2015?

Nach einem schwierigen Start macht der Wiederaufbau seit Herbst 2016 beachtliche Fortschritte. Im Wiederaufbauprogramm der privaten Häuser in ländlichen Gebieten sind die institutionellen Grundlagen und Richtlinien nun vorhanden. Tausende von Handwerkern und Ingenieuren wurden in erdbebensicherem Bauen weitergebildet und unterstützen die Hausbesitzer beim Wiederaufbau.

Über 90 Prozent der betroffenen Bevölkerung in den am meisten zerstörten Gebieten konnte sich bereits für das Regierungsprogramm einschreiben. Sie haben die erste von drei Zahlungen erhalten. Die weiteren Zahlungen sind abhängig vom Baufortschritt und dem Einhalten der vorgeschriebenen erdbebenresistenten Bautechniken.

Unterstützt durch das Regierungsprogramm, befinden sich über 70‘000 Häuser im Bau oder sind bereits fertiggestellt. Für zehntausende Beschwerden von Hausbesitzern, welche nicht in das Programm aufgenommen wurden, ist die NRA daran Lösungen zu erarbeiten. Dazu gehören sogenannte Landlose. Diese stammen meist aus ärmeren Bevölkerungsschichten und besitzen entweder keine Papiere oder haben seit Generationen basierend auf Gewohnheitsrecht in ihren Häusern gewohnt. Diesen soll nun ermöglicht werden, Papiere zu erwerben und so am Programm teilnehmen zu können.

Viele Tausende haben ihre Häuser bereits gebaut, ohne auf die Unterstützung der Regierung zu warten. Diese Häuser gilt es zu prüfen und falls nötig nachträglich erdbebensicher zu machen. Hunderte von Gemeinden müssen umgesiedelt werden, da sie sich an durch Erdrutsche und Lawinen gefährdeten Orten befinden.

Welche Herausforderungen stellen sich Schweizer Hilfsorganisationen?

Viele Schweizer Organisationen arbeiten seit langem in Nepal. Diese Erfahrung und die enge Verbindung zu Land und Leuten kommt ihnen im Wiederaufbau zu Gute. Eine Herausforderung sind komplizierte und langwierige bürokratische Prozesse der nepalesischen Behörden. Die Bewilligung von Wiederaufbauprojekten auf zentraler Ebene kann mehrere Monate dauern.

Die Zusammenarbeit mit den Behörden in den Distrikten ist anspruchsvoll. Diese unterstehen ständigen personellen Wechseln oder sind häufig nicht in ihren Amtsstellen präsent. Und da der Wiederaufbau nun an Fahrt aufgenommen hat, wird es immer schwieriger lokales Personal zu rekrutieren.

Wie werden die Gelder der Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (DEZA) verwendet?

Unmittelbar nach dem Erdbeben leistete die Schweizerische Botschaft in Kathmandu in Zusammenarbeit mit dem Schweizerischen Korps für Humanitäre Hilfe (SKH) effizient Nothilfe.

Die Schweiz unterstützt das Regierungsprogramm Nepals im Wiederaufbau von Privathäusern in ländlichen Gebieten. Sie finanziert den von der Weltbank verwalteten Multi-Donor Trust Fund (MDTF) mit. Über das Regierungsprogramm subventioniert der MDTF in drei Distrikten 3‘500 Häuser und leistet technische Unterstützung.

Die NRA wird von internationalen Experten im Erarbeiten von Richtlinien, in der Koordination und der immensen Logistik assistiert. Ein Wiederaufbauexperte der Schweizerischen Botschaft nimmt Einsitz im Steuerungsausschuss des MDTF und kann so mitbestimmen, wie die Gelder effizient eingesetzt werden. Der MDTF steht in permanentem Austausch mit der NRA, beeinflusst und kontrolliert so die korrekte Verwendung der finanziellen Mittel rigoros.

Video
Interview mit Jörg Frieden, Schweizer Botschafter in Nepal
Aus DOK vom 07.04.2017.
abspielen. Laufzeit 5 Minuten 27 Sekunden.

Über 80 Fussgängerbrücken und viele Kilometer Strasse wurden instand gestellt. In sechs Distrikten wurden kurz nach dem Erdbeben Samen verteilt und psychosoziale Unterstützung geleistet. Durch Erdrutsche bedrohte Gemeinden und Strassen konnten durch Hangbepflanzungen (Bio-Engineering) gesichert werden. Dies ermöglichte die Wiederherstellung der Lebensgrundlage und den Zugang zu Marktplätzen für die Bevölkerung vieler abgelegener Gemeinden.

Die Ausbildung und Weiterbildung von Handwerkern ist eine der Grundlagen des sogenannten «build back better / safer» (besser und sicherer wiederaufbauen). Die DEZA konnte über 3‘500 Handwerker ausbilden.

Des Weiteren wird im Distrikt Dolakha der Wiederaufbau von Tempeln und einer technischen Schule in Jiri finanziert. Die DEZA trägt dazu bei, dass eine wissenschaftliche Studie die Abläufe des Regierungsprogrammes zum Wiederaufbau von Privathäusern untersucht. Das Wissen aus dieser Studie kann dann zur laufenden Verbesserung des Programms verwendet werden.

Experten des SKH übernahmen tragende Rollen in der «Housing and Reconstruction Platform» (HRRP), welche die Koordination von Nichtregierungsorganisation vom UN Cluster System übernahm. Die Schweizerische Botschaft führt monatlich eine Koordinationssitzung mit den Schweizer Organisationen durch, welche von der Glückskette unterstützt werden.

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