«Es macht mich unendlich traurig zu sehen, was so ein gestörter Mensch wie mein Vater mit diesem Drang, den er verantwortungslos ausgelebt hat, mir und meinen Kindern angetan hat», sagt Iris Galey. Sie habe ihre eigenen Kinder überlastet und überfordert, indem sie ihnen viel zu früh und viel zu oft vom Missbrauch erzählte, den sie erdulden musste. Und tatsächlich: Das Verhältnis zu ihren beiden Töchter ist zutiefst belastet.
Versöhnung im Alter
Iris Galeys ältere Tochter Antoinette musste in einer Pflegefamilie aufwachsen. Denn mit 20 Jahren stürzte Iris Galey sich in eine Ehe, in der sie erneut Missbrauch erlebte. Ihr beträchtlich älterer Mann schlug sie, die Ehe zerbrach und die gemeinsame Tochter wurde dem Vater zugesprochen, der sie bei einer Verwandten aufwachsen liess. Mutter und Tochter durften sich lediglich jedes dritte Wochenende sehen. «Wir konnten nie einen Alltag zusammen leben, immer fieberte ich diesen Wochenenden entgegen», erzählt Antoinette Giese-Zepf.
Doch als Antoinette als Teenager zur Mutter, deren zweitem Mann und dem gemeinsamen Kind zog, bekam die Sonntagsbeziehung Risse. «Meine Mutter war durch den Missbrauch selber so verletzt, dass sie gar nicht bemerkte, wenn ich verletzt war. Ich hatte immer das Gefühl, dass sie mich gar nicht sieht», so beschreibt die heute 60-Jährige das Gefühl von damals. Die Beziehung der beiden Frauen ist geprägt von Konflikten. Erst vor eineinhalb Jahren haben sich Mutter und Tochter wieder versöhnt. «Ich sehe heute, dass meine Mutter ihr Bestes gegeben hat – mehr konnte sie nicht», erklärt Antoinette Giese-Zepf.
Bruch mit der Mutter
Die Beziehung zu ihrer jüngeren Tochter Isy in Australien ist nachhaltig geschädigt. Die Tochter hat jeglichen Kontakt mit der Mutter abgebrochen: «Ich fühle mich nicht gesehen und gehört. Neben ihr habe ich das Gefühl, dass ich gar nicht existiere», so beschreibt Isy Ladermann das Lebensgefühl, das ihr ihre Mutter immer vermittelt hat. «Ich liebe sie sehr, ich verstehe, was so ein Trauma mit einem Menschen macht, aber es tut einfach zu weh», begründet sie den Bruch.
Iris Galeys Buch «Ich weinte nicht, als Vater starb» belegte 1986 die internationalen Bestsellerlisten. Nach dem Selbstmord ihres Vaters war die damals 14-jährige Iris Galey erleichtert. Die Tränen fliessen heute, wenn der 80-jährigen Frau bewusst wird, dass ihr Vater ihr nicht nur die Kindheit, sondern auch ihre Töchter genommen hat.