Über Salinas Valley State Prison gibt es einen eindrücklichen Dokumentarfilm, der mit den Worten beginnt: «Hier sind die schlimmsten Verbrecher Kaliforniens eingekerkert. Dieses Jahr gab es etwa siebenhundert Angriffe, das ist ein grosser Fortschritt.»
Meine Schwester, die hier kreatives Schreiben unterrichtet, bestätigt diese Aussage. Unter dem vormaligen Gouverneur Arnold – «I’ll be back» – Schwarzenegger, der dieses Jahr das Zürcher Film Festival beehrte, wurden sämtliche derartigen Kurse gestrichen. Erst seit diesem Jahr kann Magdalena wieder unterrichten. In einer grossen Turnhalle, in welcher wir filmen durften, waren früher Doppelpritschen aufgestellt. Über 300 Gefangene waren dort zusammengepfercht. Die Zahl der Tätlichkeiten lag bei etwa viertausend pro Jahr. Das war der Erfolg des «Tough on Crime»-Ansatzes der konservativen Politik.
Filmaufnahmen nur dank hoher Kaution möglich
Für die Drehgenehmigung liess mich die kalifornische Bürokratie ziemlich lange schmoren. Meine Versicherung musste eine Kaution von vier Millionen Franken hinterlegen. Auch das ein Resultat der obigen Politik. Die Gefangenen klagten immer wieder – oft erfolgreich – gegen die Verletzung der Menschenrechte, auch bei Bagatellfällen, sodass nun auch ein simpler Kameramann als Risiko für einen Schadenersatzfall eingeschätzt wird.
Als ich nach verschieden Kontrollen und eingehenden Instruktionen endlich vor dem Tor zum Innenhof stand, sassen zwei Wächter vor mir, die allen Klischees gerecht wurden. Stark übergewichtig und mit verspiegelten Sonnenbrillen verlangten sie nach einem Ausweis.
«What’s that? I can‘t read Swedish!», brummte er und wollte mich noch etwas länger piesacken, obschon ja auf meinem Fahrausweis neben unserem «schwedischen» Text durchaus auch «Driving Licence» steht. Unser Begleiter sprach schliesslich ein paar deutliche Worte mit den beiden Türstehern und wir durften passieren.
Die Hoffnung auf Briefe aus der Schweiz
Auch bei den Insassen war die übliche Verwechslung mit Schweden anzutreffen. Magdalena überreichte am Ende ihres Kurses allen ein schön geschriebenes Diplom mit ihren Namen. Diese Zertifikate wollten sie unbedingt in die Kamera halten, damit «all the Swedish girls» ihnen anschliessend Briefe schreiben könnten! Sie hatten sich für die Fernsehaufnahmen extra herausgeputzt. Der eine trug eine perfekt geflochtene Zopffrisur, andere stutzten ihre Bärte und einer hatte sogar Jeans an, was auf ein besonders gutes Beziehungsnetz schliessen lässt. Normalerweise tragen alle nur die anstaltseigenen, eher schlecht geschnittenen Hosen.
Die Gefangenen wollten auch nicht vor einer simplen, weissen Wand aufgenommen werden. So liehen sie sich von der Malgruppe nebenan kurzerhand Kunstdrucke aus, sodass unsere Interviews nun innerhalb der Gefängnismauern teilweise etwas seltsam vor Van Goghs «Sämann» oder «Sonnenblumen» stattfanden.
Am Ende allerdings überraschte mich einer der Gefangenen mit seiner Sachkenntnis bezüglich unseres Landes. In der Viertelstunde, welche übrig blieb, konnten sie mir Fragen stellen. So wollten sie beispielsweise von mir wissen, ob ich schon ein Gefängnis von innen gesehen hätte. Ich bejahrte wahrheitsgetreu, da ich schon in anderen Gefängnissen gefilmt hatte. Aber einer, Neeson, der mich mit seinem Text schon vorher beeindruckt hatte, beharrte: «Aber warst du denn auch schon inhaftiert?» Und auch hier musste ich bejahen. Als ich ihm sagte: «Ja, wegen des Militärdienstes», meinte er: «Ach so. Ja natürlich, in der Schweiz ist der Militärdienst ja obligatorisch.» Und er begrüsste mich als einen der ihren. Noch bin ich mir nicht ganz sicher, ob ich das als Ehre verbuchen soll.