Fast scheint, als heilige der Zweck die Mittel. Bezahlt wird mit der Firmenkarte. Auf der Quittung von 2‘000 Euro wird der Name des Nachtclubs nicht erscheinen. Der Zettel einer «Sport Bar» wird unter Geschäftsspesen verbucht werden wie alle anderen: Denn Diskretion ist das oberste Gebot.
Nicht selten gehen guten Vertragsabschlüssen Sexpartys und Nachtclubbesuche voraus, die die Firmen spendieren. Sie sollen Kunden dazu ermuntern, Geschäfte abzuwickeln und Verträge zu unterzeichnen.
50‘000 Euro für eine riesige Chance
Die «Affäre Dominique Strauss-Kahn» ist ein prominentes Beispiel. Ihm und zwölf weiteren Angeklagten wird derzeit vor dem Strafgericht in Lille wegen mutmasslich schwerer, gemeinschaftlicher Zuhälterei der Prozess gemacht.
Als David Roquet, der ehemalige Kadermann eines französischen Bauunternehmens, 2009 den damaligen IWF-Chef kennenlernt, tut er alles für eine gute Beziehung – immerhin wird Strauss-Kahn damals als Präsidentschaftskandidat gehandelt.
«Dieser Kontakt ist eine unglaubliche Chance für mein Unternehmen» wird zu Roquets Mantra. Für etwa 50‘000 Euro organisiert er ein Dutzend Geschäftsessen für Strauss-Kahn – Sex-Partys mit Edelprostituierten inklusive. Als ein Zimmermädchen Strauss-Kahn wegen sexueller Belästigung und versuchter Vergewaltigung anzeigt, fliegen auch die Orgien auf. Strauss-Kahn und Roquet drohen je zehn Jahre Haft und 1,5 Millionen Euro Busse. Hat man Roquet eben noch zugeredet, den Kontakt derart zu pflegen, will man in den oberen Etagen plötzlich nichts mehr von den Exzessen gewusst haben. Wer sagt die Wahrheit?
Programm mit Prostituierten gehört dazu
Auch in anderen Fällen werden Sex und Geschenke eingesetzt. Michel-Jack Chasseuil, ehemaliger Kader von Dassault Aviation, versuchte so seinerzeit Kunden davon zu überzeugen, ihre Flugzeuge zu kaufen: «Wie jeder weiss, ging es in diesen Verträgen für Militärflugzeuge um Geld, Frauen und Bestechung. Alles war erlaubt.» Und er fügt an: «In jedem Mann steckt ein Schwein».
Und am Autosalon in Genf oder am «Salon des Maires», einer Ausstellung für Bürgermeister in Paris wird den angereisten Männern ein Rahmenprogramm mit Prostituierten geboten.
Vulgäre Aussagen über ihre Kunden, von denen sie profitieren
Die französische Filmemacherin Vanina Kanban geht in ihrem Film «Sex, Business und Politik» der Frage nach, wie bestechlich die Sinne von Kunden und Politiker sind, wenn es darum geht, Firmeninteressen zu verfolgen. Auch ein gleichnamiges Buch hat sie dazu verfasst.
Kanban taucht auch in Kneipen und Bordelle ein. Hier trifft sie Edelprostituierte und Clubbesitzer, Bürgermeister und Bauherren. Mit grosser Selbstverständlichkeit erzählen die Barbesucher von den Gepflogenheiten. Sie äussern sich verächtlich und vulgär über ihre Kunden – und doch sind sie es, die von diesen Methoden profitieren.
Beide Seiten sind korrupt
Die diskret eingesetzte Kamera erzeugt im Nachtclublicht schummrig-unscharfe Bilder und eigenwillige Bildausschnitte. Dafür vertrauen sich die Männer Kanban in einer Art an, die nicht ungezwungener und argloser sein könnte.
Viele fügen sich – fast schicksalsergeben – in das System: «Wenn ich einem Idioten drei Huren besorgen muss, damit er mir eine Million gibt für meine Angestellten, mache ich es natürlich», sagt ein französischer Unternehmensleiter.
Politische Fallen: Wenn der Sex publik werden soll
Kanban zeigt aber auch, wie Sex nicht nur als «soziales Gleitmittel» für Geschäftsbeziehungen eingesetzt wird, sondern auch, um politische Gegner in Verruf zu bringen. 2010 wurden in Moskau mehrere russische Oppositionelle von einer jungen Frau verführt. Die kompromittierenden Bilder vom gemeinsamen Sex wurden anschliessend ins Internet gestellt. Ob es der russische Geheimdienst war? Vieles spricht dafür.
Konkrete Sex-Skandale kommen in den wenigsten Fällen ans Licht. Die Exzesse auf Firmenbudget sind trotz allem ein offenes Geheimnis.