Heidi Sjonbotns Augen füllen sich mit Tränen. Die Belastung ist der mehrfachen Mutter sichtlich anzusehen: «Es wäre eine Tragödie für Rainer und für uns, wenn er gehen müsste.» Ihr Mann, Steinar, fügt an: «Man kann doch mit Kindern keine Experimente machen.»
Vor zweieinhalb Jahren nahm das Ehepaar den gerade einmal zwei Tage alten Rainer bei sich als Pflegekind in der Familie auf. Bei seiner Mutter konnte der Junge nicht bleiben. Rainers biologischer Vater, Per Gunnar, erfuhr erst sechs Monate später von seinem Glück. Von da an kämpfte er um das Sorgerecht.
Ein neues Umfeld für den Jungen
Der «DOK»-Film «Und plötzlich ist ein Vater da» rollt chronologisch die Entscheide auf, die das Sozialamt und die Richter ums Schicksal des kleinen Jungen fällen.
Rainer darf seinen leiblichen Vater mittlerweile regelmässig sehen. Geprüft wird nun, ob Rainer – behutsam angewöhnt – bei seinem Vater aufwachsen soll.
Wo ist das Kindeswohl grösser?
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«Barnets Beste» hiess die ursprünglich als fünfteilige TV-Serie konzipierte Produktion aus Norwegen – «Kindeswohl». Doch wo ist Rainer am besten aufgehoben? Bei seinen Pflegeeltern, zu denen es bereits eine soziale Bindung hat? Oder soll der Junge zu Per, seinem biologischen Vater, den er mittlerweile zwar regelmässig sieht und dessen Beziehung zu ihm zwar liebevoll, aber noch weniger gefestigt ist?
So kreist alles um die Frage, wie viel Gewicht der emotionalen Bindung des Jungen zu seinen Pflegeeltern beigemessen werden soll. «Ich denke nicht, dass Rainer bei seinem Vater unglücklich ist. Aber er ist ihm völlig fremd», sagt die Pflegemutter Heidi. Sie seien von Anfang an mit Rainer zusammen gewesen. Rainer werde hin- und hergeschoben.
«Trauma muss nicht sein»
Experten betonen, dass Rainer an einem Wegzug von den Sjonbotns leiden wird, wie jedes Kind, das seine Eltern verliert. Randi Nygard Skog von der Vormundschaftsbehörde, die mit dem Fall betraut ist, ergänzt: «Aber wenn er jemanden hat, der sich gut um ihn kümmert und ihm hilft, mit seiner Trauer zurecht zu kommen, wird er kein Langzeittrauma erleiden.»
Sie glaubt, dass dies dem alleinstehenden Vater gelingen könnte. Doch was, wenn sich die Sozialarbeiterin irrt? Zu folgenreich wäre der Fehler.
Grenzenlose Liebe und 140 Kilometer
Deutlich wird aber, dass der Kontakt Rainers zu Per beiden gut tut. «Er ist immer in meinem Herzen und dort wird er immer bleiben», sagt Per. Er blüht auf, als der kleine Junge in seinen Armen liegt und sich vor Lachen kugelt.
Umso schmerzvoller sind die Abschiede jeweils für den alleinstehenden Mann, wenn er den kleinen Blondschopf nach der Besuchszeit wieder zurückbringen muss. Er wirkt aufgewühlt – stolz leuchten seine Augen und gleichzeitig spricht Verzweiflung aus ihnen. «Alles ist plötzlich leer», sagt er mit feuchten Augen, als er sich auf die 140 Kilometer lange Heimreise von Nesna zurück nach Mosjøen macht.
Tiefe Einblicke in die Gefühlswelt
Die Dokumentation beleuchtet das Drama um Rainer detailliert, indem sie alle Beteiligten zu Wort kommen lässt und tiefe Einblicke in deren Seelenleben und Gedanken gibt.
Alle scheinen zerrissen: Die Pflegeeltern Heidi und Steinar, die zusehen müssen, wie ihnen Rainer allmählich entgleitet – der leibliche Vater Per, der immer Kinder wollte und der Erfüllung seines Traumes so nah und doch so fern zu sein scheint. Selbst Randi von der Vormundschaftsbehörde kommt an ihre Grenzen. «Ich will doch für alle nur das Beste», klagt sie, selbst Mutter einer kleinen Tochter.