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Kaffeebauern protestieren gegen Nestlé
Aus Kassensturz vom 18.06.2024.
abspielen. Laufzeit 8 Minuten 12 Sekunden.

«Nescafé-Plan» Schuften für 1.50 Fr. pro Kilo – Bauern protestieren gegen Nestlé

Die NGO Public Eye macht Nestlé mitverantwortlich, dass viele Kaffeebauern kaum mehr über die Runden kommen.

Nescafé: Das Kaffee-Pulver zum schnellen Aufbrühen ist immer noch ein Verkaufsschlager. Allein in der Schweiz werden jährlich rund 280 Millionen Tassen getrunken. In vielen Ländern ist löslicher Kaffee noch weitaus populärer.

«Nescafé-Plan» bindet Kaffeebäuerinnen an Nestlé

Nestlé ist die Nummer eins im weltweiten Kaffeegeschäft. Der Konzern (Nescafé) betont in der Werbung, dass ab 2025 100 Prozent seines Kaffees «nachhaltig» produziert werde. Dazu beitragen soll auch der 2010 lancierte sogenannte «Nescafé-Plan».

Ein Mann mit Nescafé in der Hand.
Legende: Kaffeebauer Elmar Morales Gonzáles ist wütend: Mit seinem Gesicht wirbt Nescafé auf tausenden Packungen. SRF

Die Nichtregierungsorganisation Public Eye kritisiert in einem neuen Report: Viele am «Nescafé-Plan» beteiligte Kaffeebäuerinnen und -bauern in Mexiko und Brasilien kämen mit den tiefen Einkaufspreisen nicht über die Runden.

Wütende Bauern protestieren gegen Nestlé

Eine Reportage der RTS-Sendung «A Bon Entendeur» in der mexikanischen Region Chiapas kommt zu ähnlichen Schlüssen. Auch hier haben sich viele Kaffeeproduzenten dem «Nescafé-Plan» angeschlossen und dabei von der angestammten Kaffeesorte Arabica auf die Sorte Robusta gewechselt. Diese ist für löslichen Kaffee besonders geeignet.

Bauern, die gegen Nestlé protestieren
Legende: Gestiegene Preise und Inflationskosten machen den protestierenden Bauern zu schaffen. SRF

Auch Bauer Elmar Morales Gonzáles stieg 2012 mit vielen anderen in die Nescafé-Schule ein. Seitdem liefert er Nestlé jährlich rund 70 Tonnen Kaffee. Sein lächelndes Konterfei prangt auf tausenden Nescafé-Packungen. «Was für eine Lüge, glauben zu lassen, ich sei glücklich, meinen Kaffee an Nestlé zu verkaufen! Ich bin nicht glücklich. Ich bin wütend.» Denn Nestlé verdiene viel Geld mit seinem Kaffee. «Aber ich als Kaffeebauer gewinne nicht. Ich verliere.»

1 Franken 50 pro Kilo Kaffee für die Bauern – 70 Franken pro Kilo Nescafé im Laden

Die Kaffeebauern kämpfen mit steigenden Produktionskosten und hoher Inflation. Der Kaffeepreis ist zwar gestiegen. Mit den Kosten kann er aber nicht mithalten. Letzte Saison erhielten mexikanische Produzentinnen im Schnitt pro Kilogramm Kaffee 1 Franken 50.  Zum Vergleich: Im Schweizer Detailhandel kostet ein Kilo Nescafé fast 70 Franken.

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Carla Hoinkes, Public Eye: «Nestlé hält das Versprechen nach verantwortungsvoll beschafftem Kaffee nicht ein»
Aus Kassensturz vom 18.06.2024.
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Carla Hoinkes, Co-Autorin des Kaffee-Reports von Public Eye, kritisiert gegenüber «Kassensturz»: «Nestlé hält das Versprechen nach verantwortungsvoll beschafftem Kaffee nicht ein.» Man habe gesehen, dass Bäuerinnen und Bauern, die für Nestlé Kaffee produzieren, so tiefe Preise erhalten, dass sie kaum ihre Familien ernähren könnten. «Unsere Forderung ist ganz simpel: Nestlé soll einfach dafür sorgen, dass die Bäuerinnen und Bauern, die weltweit den Kaffee für das Unternehmen produzieren, auch von dieser Tätigkeit leben können.»

Nestlé weist Kritik an «Nescafé-Plan» zurück

Vor der Kamera will Nestlé zur Kritik keine Stellung nehmen, schreibt jedoch, man sei der festen Überzeugung, dass Kaffeebauern einen fairen Preis für ihren Kaffee erhalten müssen. «Unser Preis, den wir den Kaffeemühlen (also unseren direkten Lieferanten) in diesem Jahr gezahlt haben, war der höchste, den wir je in Mexiko gezahlt haben.»

Man habe sich im Februar mit Vertretern der Kaffeebauern aus Chiapas und den lokalen Regierungsbehörden getroffen. «Dabei haben wir gemeinsam eine Vereinbarung zur Zufriedenheit aller Parteien erreicht und unterzeichnet. Seit der Unterzeichnung der Vereinbarung haben wir keine Beschwerden von Kaffeemühlen oder Bauern erhalten.» Kaffeebauern wie Elmar Morales sehen das anders: Sie fühlen sich von Nestlé verraten und kämpfen weiter für ein faires Einkommen.

Stellungnahme Nestlé

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In einer ersten Stellungnahme hat Nestlé geltend gemacht, der Kaffeepreis unterliege wie bei jeder anderen Ware Angebot und Nachfrage und werde auf dem offenen Markt festgelegt. Der Kaffeepreis sei keine Variable, die Nestlé allein bestimmen oder kontrollieren könne. «Der «Nescafé-Plan» in Mexiko soll jedoch sicherstellen, dass den Kaffeebauern andere Möglichkeiten zur Verfügung stehen, um ihr Einkommen langfristig zu verbessern.» «Kassensturz» hat beim Schweizer Konzern nachgefragt, was das konkret bedeute.

«Kassensturz»: Sie sagen, Nestlé könne den Einkaufspreis Preis nicht bestimmen. Trotzdem könnte Nestlé den Kaffeeproduzenten in Mexiko – und weltweit –  einfach mehr für ihre Ware zahlen. Und damit die Kaffeebauern zu einem bescheidenen Teil an der Preis-Hausse des Robusta-Kaffees teilhaben lassen. Wieso macht Nestlé das nicht?

Nestlé: Es ist uns wichtig festzuhalten, dass wir unseren Kaffee nicht direkt von den Kaffeebauern kaufen, sondern ihn über unsere Kaffeemühlen, unsere direkten Lieferanten, beziehen. Wir sind der festen Überzeugung, dass Kaffeebauern einen fairen Preis für ihren Kaffee erhalten müssen. Unser Preis, den wir den Kaffeemühlen (also unseren direkten Lieferanten) in diesem Jahr gezahlt haben, war der höchste, den wir je in Mexiko gezahlt haben. Dies ist insbesondere auf den hohen Robusta-Marktpreis zurückzuführen. Wir hören den Kaffeebauern, die sich am Nescafé-Plan beteiligen, weiterhin aufmerksam zu und freuen uns, mit ihnen auch in den kommenden Jahren zusammenzuarbeiten. 

Gegenüber Public Eye haben Sie angeführt, dass Sie die Situation in Mexiko verbessert hätten. Auf Nachfrage vor Ort, direkt bei den Kaffeeproduzenten, hiess es Ende letzter Woche: Die Situation hat sich überhaupt nicht verbessert. Was sagen Sie dazu?

Im Februar dieses Jahres traf sich Nestlé mit Vertretern der Kaffeebauern aus Chiapas und den lokalen Regierungsbehörden. Dabei haben wir gemeinsam eine Vereinbarung zur Zufriedenheit aller Parteien erreicht und unterzeichnet. Seit der Unterzeichnung der Vereinbarung haben wir keine Beschwerden von Kaffeemühlen oder Bauern erhalten.

Sie schreiben, dass der Nescafé-Plan andere Möglichkeiten zur Verfügung stellen würde, um das Einkommen langfristig zu verbessern. Welche «anderen Möglichkeiten» meinen Sie konkret?

Der Nescafé Plan ist ein landwirtschaftliches Programm, das verschiedene Vorteile mit sich bringt: Höhere Kaffeeerträge und Produktivität, geringere Kosten für Betriebsmittel (beispielsweise, weil weniger Dünger notwendig ist), Verjüngung und Erneuerung der Kaffeeanbauflächen durch krankheits- und klimaresistente Setzlinge. Und kostenlose Unterstützung und Schulung durch Nestlé-Agronomen vor Ort. All diese Massnahmen tragen dazu bei, das Einkommen der Kaffeebauern zu erhöhen und die Auswirkungen von Marktpreisschwankungen für diesen Rohstoff zu verringern. 

Kassensturz, 18.06.24, 21:10 Uhr

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