Thomas Güntensperger hat eine Schwäche für technische Spielereien. Dabei investiert er gerne in neuartige Produkte auf sogenannten «Crowdfunding»-Webseiten.
Dort werden innovative, noch nicht existente Produkte vorgestellt und angepriesen. Finden sich genug Investoren, startet die Produktion. Als Gegenleistung erhalten die Geldgeber als erste ein Gerät bevor dieses auf den Markt kommt.
Die Risikobereitschaft von Thomas Güntensperger, in nicht existente Produkte zu investieren, traf auf sein liebstes Hobby: Das Gleitschirm fliegen. Auf der amerikanischen Crowdfunding-Plattform «Indiegogo» fand er dazu ein Gerät, das wie für ihn geschaffen schien: Den Smart Tracker. Dies ist ein kleiner, aber sehr leistungsstarker GPS-Sender mit einer unglaublichen Vielfalt an Sonderfunktionen.
Professionell gemachte Produkt-Beschreibung
Das Gerät sollte laut Werbeversprechen wasserdicht sein, sogar in Tunnels funktionieren und permanent Töne um sich herum aufzeichnen. «Der Tracker hat sensationell ausgesehen. Die Werbung war professionell gemacht, mit Film und Video und 3D-Animationen. Die Beschreibungen waren auch sehr ansprechend. Das war bis ins Detail formuliert, was man da bekommt», erzählt Thomas Güntensperger.
Das Projekt startete wie eine Rakete: innert Tagen zahlten Klein-Investoren zehntausende von Franken ein. Bis zum Schluss trug die Gemeinschaft der Geldgeber mehr als 300‘000 Dollar zusammen. Die Projektverantwortlichen hielten die Geldgeber mit regelmässigen Positiv-Meldungen bei Laune: «Wir arbeiten hart!» Der Tracker funktioniere und werde laufend verbessert.
Einziger Schönheitsfehler: Das Gerät existierte nur als 3D Grafik und wurde nie ausgeliefert. Viele Kunden wurden nervös und verlangten ihr Geld zurück - vergeblich. Schliesslich wurde klar: das Team von Smart Tracker ist samt dem vielen Geld abgetaucht. «What a Scam!» schrieben Investoren: Was für ein Beschiss!
Thomas Güntensperger, hat einen Verdacht: «Ich glaube, da ist ein Plan dahinter. Der hat sich überlegt, mit welchen Features kann ich möglichst viele Menschen auf dieses Produkt ziehen. Dann hat er einen guten Preis angesetzt. Und so kam das Ganze dann zustande. Das ist aus meiner Sicht klar Betrug.»
Bessere Kontrolle in der Schweiz
Schweizer Crowdfunding-Plattformen, zum Beispiel «Wemakeit» kennen diese Art von Betrügereien nicht, sagt Andreas Dietrich, Professor für Banking und Finance an der Hochschule Luzern.
Der Grund: Die Plattform-Verantwortlichen kontrollieren nach klaren Regeln: «Bei den Schweizer Plattformen ist es so, dass ab bestimmten Volumina die Plattformbetreiber in direkten Kontakt treten zum Kapitalsuchenden. Auch das ganze Projekt anschauen, das Produkt, und dort kann man oftmals erste Indikationen erkennen, ob das jemand ist, der das ernst meint, oder ob das jemand ist, der andere Absichten hat», sagt Dietrich.
Beim Crowdfunding-Koloss Indiegogo dagegen ist alles anonymer: Mit ein paar wenigen Clicks ist ein Projekt erstellt und wird danach kaum mehr überprüft. «Kassensturz» will wissen: Wer steckt hinter dem Smart-Tracker Debakel? Es ist Julien Buschor aus der Genfersee-Region.
Alle drei seiner bisherigen Projekte auf Indiegogo endeten sehr unerfreulich:
- Zuerst eine futuristische Software, die Verbrechen erkennen soll, bevor sie überhaupt stattfinden. Das Projekt kam nicht zustande. Julien Buschor strich das bisher gesammelte Geld trotzdem ein.
- Danach eine Lampe, um die Zähne aufzuhellen. Was Julien Buschor verschwieg: Diese Geräte waren bloss Billigimporte aus China, keine Spur von Eigenentwicklung. Das belegen Zertifikate, die der chinesischeHersteller «Kassensturz» sandte. Buschor verlangte massiv überhöhte Preise und machte satten Gewinn.
- Zuletzt sammelte er Geld für ein erstes Modell des Smart Trackers. Trotz vollmundigen Versprechen kam auch dieses Projekt nicht zustande, Buschor strich wieder alles Geld ein.
Doch der umtriebige Jungunternehmer ist für Kassensturz unerreichbar. Unsere Fragen verlieren sich auf seiner Combox. Auch die schriftlichen Anfragen bleiben unbeantwortet.
Dafür erreicht «Kassensturz» den Verkaufs-Leiter des Smart Tracker: Peter Buschor ist der Vater von Julien. Laut Handelsregister ist er Gesellschafter einer Firma, die den Smart Tracker anpreist mit Einzelunterschrift, also mitverantwortlich. Am Telefon beteuert Peter Buschor, er wisse von der Smart Tracker Kampagne überhaupt nichts. Sein Sohn sei im Moment leider nicht erreichbar.
Tipp: Vorsicht bei Neulingen
Crowdfunding-Experte Andreas Dietrich rät: Bei grossen Technologie-Projekten genau hinschauen. Doch lassen sich raffinierte Tricksereien wie die von Julien Buschor erkennen?
«Man kann die Person anschauen, ob die schon mal etwas gemacht hat in diesem Bereich. Es ist aus meiner Sicht erfolgversprechender, wenn man sieht, das ist eine Firma, die ist seit mehreren Jahren im Technologiebereich tätig, als wenn jemand aus dem Nichts heraus plötzlich ein super Gadget anbietet», erklärt Andreas Dietrich.
Crowdfunding-Fan Thomas Güntensperger hat seinen Einsatz für den Smart Tracker abgeschrieben und seine Lektion gelernt: «Die Enttäuschung überwiegt, weil man vorsichtiger wird bei anderen Projekten, die ernst gemeint wären, sodass man es dann nicht macht, weil man meint, ja, es ist doch ein wenig Geld und vielleicht ist das auch nicht ganz sauber. Und das wäre schade, denn die Idee mit dem Crowdfunding ist aus meiner Sicht eine sehr gute Idee» sagt Güntensberger.
Indiegogo bleibt Antworten schuldig
Indiegogo schreibt «Kassensturz»: «Julien Buschor sei für weitere Kampagnen gesperrt worden.» Alle anderen Fragen, warum zum Beispiel Indiegogo alle Warnungen von Kunden, dass es sich bei Smart Tracker um einen Beschiss handelt, ignoriert hat, wollte Indiegogo nicht beantworten. Auch nicht, was Indiegogo mit den rund 20'000 Dollar, welche die Plattform durch das betrügerische Projekt Smart Tracker 2 mitverdient hat, anstellen will.
Inzwischen haben Geprellte aus der Schweiz bei der Polizei in Morges Anzeige gegen Julien Buschor eingereicht.