Dass neue Medikamente gar nicht neu sein müssen, zeigt die Geschichte des Magensäurehemmers «Nexium». Die Firma Astra Zeneca brachte es 1989 auf den Markt unter dem Namen «Antra». Als die Patente Ende der 90er Jahre abliefen, kam «Antra» unter Druck. Günstige Generika bedrängten den Bestseller. Massive Gewinneinbrüche drohten.
Aus «Antra» wurde «Nexium»
Astra Zeneca behalf sich mit einem Trick: Man entfernte vom Wirkstoff-Molekül einen Teil und konnte das Ganze nun als neues Medikament auf den Markt bringen und patentieren. Aus «Antra» wurde «Nexium».
Etwas Neues ist das nicht. Dies bestätigt Gerd Glaeske, Autor des deutschen Arzneimittelreports und Professor für Arzneimittel Versorgung an der Uni Bremen: «Man hat im Prinzip keinen neuen Wirkstoff. Astra Zeneca hat einfach die Hälfte des alten Wirkstoffs genommen und als neues Arzneimittel vermarktet. Insofern ist der neue Wirkstoff von «Nexium» eine Scheininnovation.»
Auf diese Kritik schreibt AstraZeneca: «Nexium zeigte in klinischen Studien eine signifikante Überlegenheit gegenüber Antra. Es wurde weltweit von Gesundheitsbehörden als wirksam, zweckmässig und wirtschaftlich zugelassen.»
Fachleute widersprechen dem vehement. Auch der langjährige Chefarzt am Spital Männedorf, Urs Strebel. Die Belege für die Überlegenheit von «Nexium» überzeugten ihn nie: «In der Studie zur Wirksamkeit von «Nexium» wurde die doppelte Dosis getestet. Das hatte natürlich gewisse Vorteile. Es hat schneller gewirkt. Wenn aber «Antra» doppelt dosiert worden wäre, hätte es auch schneller gewirkt. Das wurde aber nie in einer Studie geprüft.»
Die Scheininnovation wurde aber trotz Kritik zum Erfolg für Astra Zeneca. «Nexium» ist ein Bestseller und brachte rund fünf Milliarden Dollar Umsatz allein im Jahr 2009. Doch die Konkurrenz wollte nach wie vor mit Generika am Geschäft teilhaben.
Gleicher Wirkstoff neu patentiert
Für den Wirkstoff von «Nexium» ist das Grundpatent im Jahr 2009 abgelaufen. Nun hat Astra Zeneca weitere Patente für denselben Wirkstoff angemeldet. Mit Laufzeiten bis 2013 und deutlich länger. Vor Gericht haben Generikahersteller solche Patente angefochten. In diversen Ländern teilweise mit Erfolg.
«Es kostet Gesundheitssysteme viel, wenn Pharmafirmen bei Ablauf des ursprünglichen Schutzes neue Patente anmelden», betont Gerd Glaeske von der Uni Bremen. «Es könnten längst kostengünstige Arzneimittel auf dem Markt sein. Die Hersteller der ursprünglichen Medikamente nutzen aber alle Möglichkeiten, um den Patentschutz eines Medikaments zu verteidigen. Sie wollen ihre Profite nicht verringern.»
Wegen «Nexium» ermittelt nun die Europäische Kommission gegen Astra Zeneca. In süddeutschen Produktionsstätten wurden kurz vor Weihnachten Razzien durchgeführt. Es ging um den Verdacht, dass Astra Zeneca Generikahersteller am Markteintritt hindert. Die Pharmafirma möchte sich zum laufenden Verfahren nicht äussern. Bis zu einem Urteil im Fall «Nexium» vergehen Jahre. Solange kann die Kasse weiter klingeln.
Aus «Nexium» wird das Duplikat «Esomep»
Astra Zeneca wendet jetzt einen neuen Trick an: Seit letztem Herbst verkauft der Pharmariese zweimal dasselbe. Gleich bis ins kleinste Detail. Und nennt es selber: «Duplikat». Der einzige Unterschied ist, dass «Esomep» knapp 20 Prozent günstiger zu kaufen ist als «Nexium».
Gerd Glaeske von der Uni Bremen weiss warum: «Damit wollen Pharmafirmen die Nachahmerprodukte, also Generika, abwehren. Sie wollen deutlich machen: wir haben schon das kostengünstigere Produkt im Markt, ihr könnt eigentlich nicht kostengünstiger sein und uns den Markt weg nehmen. Sie wollen den Markt der Nachahmer besetzen.»
Astra Zeneca schreibt «Kassensturz», dass «Esomep» ab Fabrik 25 Prozent günstiger sei als «Nexium». «Auf dem Markt der Protonenpumpen-Hemmer herrscht intensiver Wettbewerb. Mit «Esomep» wird ein zusätzliches, preisgünstiges Produkt angeboten. Damit wird der Markteintritt von Generika nicht beeinträchtigt», nimmt AstraZeneca Stellung.