Gemüse muss vor der Zubereitung gewaschen werden. Einerseits weil Aubergine, Rüebli und Peperoni schon von anderen Händen betatscht worden sind. Andererseits weil man die giftigen Pflanzenschutzmittel nicht mitessen will.
Doch dass die Pestizide nicht nur auf, sondern auch im Gemüse drin sind, wissen die Wenigsten. Der SRF-Biologe Andreas Moser erklärt die Wirkung einer neuen Art von Pestiziden auf Menschen.
«Espresso»: Befinden sich diese Pestizide in unserem Essen?
Andreas Moser: Ja. Das Neue an diesen Substanzen ist, dass sie in den Pflanzen drin sind. Sie befinden sich nicht wie früher auf der Oberfläche, können also nicht einfach abgewaschen werden.
Neu an diesen «Neonicotinoiden» ist auch, dass sie sehr potent sind. Sie sind sehr giftig für Insekten. Eine Blattlaus zum Beispiel stirbt, wenn sie mit kleinsten Mengen in Kontakt kommt. Für Säugetiere wie den Menschen sollen diese Stoffe nicht giftig sein.
Diese Substanzen werden in der Landwirtschaft auf zwei Arten eingesetzt: Erstens werden sie klassisch gespritzt. Sie dringen dann durch die Blattoberfläche ein und werden durch die Saft-Ströme weiter transportiert. Zweitens wird das Saatgut behandelt mit einem Pestizid-Puder. Beim Wachstum werden die Pestizide von der Pflanze mit dem Wasser aufgenommen.
«Espresso»: Das Bundesamt für Gesundheit entwarnt, diese Rückstände seien für die Gesundheit der Konsumenten nicht schädlich. Können Sie dem beistimmen?
Moser: Nach den heute geltenden gesetzlichen Vorgaben werden keine Grenzwerte überschritten. Das Bundesamt kann darum gar nicht einschreiten. Ich habe jedoch in der Original-Literatur recherchiert. Dabei bin ich auf einige Fragezeichen gestossen.
Die Wissenschaft weiss noch nicht viel über diese Substanzen. Es ist bewiesen, dass sie auf menschliche Nerven eine Wirkung haben. Wieso sie aber keine Wirkung auf den ganzen Organismus haben sollen, wird zur Zeit erforscht.
Die Neonicotinoide sind weit verbreitet: Man muss davon ausgehen, dass bis zu 50 Prozent des Gemüses behandelt ist. Die Tendenz ist steigend. Wir sind dauernd mit diesen Pestiziden in Kontakt. Sie sind auch wasserlöslich. Sie sind überall.
«Espresso»: Wird Entwarnung auf Grund von Nicht-Wissen gegeben?
Moser: Das ist schwierig zu sagen: Gemäss wissenschaftlichen Erkenntnissen ist die sogenannte Akute Toxizität unbedenklich. Belastetes Gemüse kann somit gegessen werden, ohne Beeinträchtigung der Gesundheit.
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Die Langzeitwirkung aber ist jedoch noch nicht erforscht. Es ist nicht bekannt, was mit Menschen passiert, wenn sie über lange Zeit tiefe Dosen einnehmen.
Es gibt viele frühere Beispiele von Substanzen, die erst für unbedenklich gehalten und dann später als gefährlich erkannt und zurückgezogen wurden. Das Bundesamt für Landwirtschaft hat in den letzten Jahren über 20 ältere Substanzen aus dem Verkehr gezogen, welche früher zugelassen waren. Vor zehn Jahren hatte das BAG diese Substanzen für unbedenklich erklärt.
«Espresso»: Wie geht es weiter?
Moser: Das ist schwer zu sagen. Die unabhängige Forschung ist dabei, Resultate zu erarbeiten. Diese weichen teilweise ziemlich von denen der Industrie ab. Panik jedoch ist sicher nicht angezeigt.
«Espresso»: Wie kann man Neonicotinoide verhindern?
Moser: Im biologischen Landbau sind solche Neonicotinoide verboten. Bio-Gemüse sollte demnach keine enthalten.