Fast alle Jugendlichen besitzen heute ein Handy. Halten sie das Telefon beim Sprechen direkt ans Ohr, dann befindet sich ihr Gehirn direkt an der Strahlungsquelle. Denn es sind in erster Linie unsere eigenen Telefone, die uns mit Strahlung eindecken und nicht die umstrittenen Funkantennen.
Forscher aus Basel haben nun für rund 400 Jugendliche berechnet, wie gross ihre individuelle Strahlendosis ist. Ihnen standen dafür die konkreten Verbindungsdaten der Jugendlichen zur Verfügung – also wie oft und wie lange diese während der vergangenen Monate telefoniert haben.
Erste Studie zur Gedächtnisleistung
Zudem seien viele weitere Faktoren in die Dosis-Berechnung eingeflossen, sagt Forschungsleiter Martin Röösli vom Schweizerischen Tropen- und Public Health Institut: «Ein ganz entscheidender Faktor ist die Verbindungsqualität am Ort, wo die Jugendlichen wohnen oder zur Schule gehen. Dies haben wir bei dieser Strahlenberechnung mit einbezogen.»
Bei schlechter Verbindung strahlt ein Handy bis zu 10'000 Mal stärker als bei guter Verbindung.
Die Studie von Martin Röösli ist die erste überhaupt, welche die tatsächliche Strahlenbelastung des Gehirns abschätzt – und diese in einen Zusammenhang mit der Gedächtnisleistung bringt.
Die Jugendlichen wurden zu Gedächtnis-Tests aufgeboten. Sie mussten sich Wörter und Figuren einprägen. Dabei zeigte sich, dass Jugendliche mit einer hohen Strahlungsdosis deutlich schlechter abschnitten als solche mit einer niedrigen Dosis. «Beim figürlichen Test ist vor allem die rechte Hirnhälfte betroffen, und bei unserer Stichprobe haben rund 80 Prozent der Jugendlichen gesagt, dass sie das Mobiltelefon meist am rechten Ohr haben. Wir haben dann tatsächlich gesehen, dass die Effekte davon abhängig waren, auf welcher Seite man das Mobiltelefon benutzt.»
Der Effekt ist also seitenabhängig, was den Verdacht verstärkt, dass wirklich die Strahlung dahintersteckt. Und dass es nicht damit zusammenhängt, dass häufige Handynutzung das Verhalten der Jugendlichen ändert.
Kein Resultat von digitaler Ablenkung
Es ist also kein Effekt der sogenannten «digitalen Demenz» – einer Art Zerstreutheit, die möglicherweise, ganz unabhängig von der Strahlung, durch den häufigen Gebrauch von digitalen Geräten entsteht, sei es durch das Surfen im Internet, sei es durch Computergames oder häufiges SMS-Verschicken.
«Interessanterweise haben wir gerade für das Verschicken von Textnachrichten oder die Häufigkeit von Computerspielen diese Zusammenhänge nicht gesehen», weiss Martin Röösli. «Das deutet eher darauf hin, dass es nicht die ‹digitale Demenz› ist, obwohl dies natürlich nicht absolut ausschliessbar ist.»
Grenzwerte überprüfen
Ob die Strahlung die Ursache für das schlechtere Gedächtnis ist, kann die Studie nicht zweifelsfrei beweisen. Doch sie fügt sich in das, was bisher bekannt ist: Mobilfunkstrahlung – vor allem jene der Handys, weniger jene der Antennen – kann das Gehirn beeinflussen. Sie verändert etwa die Hirnströme während des Schlafens.
Die Studie von Martin Röösli sei wichtig und sorgfältig gemacht, sagt der Neurologe Christian Hess, Präsident der Hirnliga und Leitungsmitglied des ehemaligen nationalen Forschungsprogramms Mobilfunk: «Es ist keine Alarmstimmung angesagt, aber wir können die Resultate sicher nicht auf die leichte Schulter nehmen, sondern müssen schauen, was da dran ist. Letztlich geht es natürlich darum, ob gehandelt werden muss.»
Handeln, indem strengere Grenzwerte für Handygeräte eingeführt werden. Noch sei es dafür zu früh, noch fehlten die hieb- und stichfesten Beweise.
Handys möglichst weg vom Ohr
Und: Die Effekte aufs Gehirn seien – falls es sie gibt – vermutlich eher klein, «aber sie sind natürlich trotzdem sehr ernst zu nehmen, weil sie ganze Populationen von Jugendlichen betreffen können und sich dort auch schwache Effekte in einer Art materialisieren, die wir letztlich nicht wollen.»
Droht uns also die «Generation vergesslich»? Martin Röösli plant zur Zeit eine weitere, grössere Studie, um dieser Frage auf den Grund zu gehen.
Bis die Resultate vorliegen, empfehlen die beiden Experten Christian Hess und Martin Röösli: Wer häufig mit dem Handy telefoniert, benutzt mit Vorteil ein Headset oder den Lautsprecher des Gerätes. Das reduziert die Strahlendusche fürs Gehirn deutlich.