Mit einem Atemstoss Krankheiten diagnostizieren: Das ist das Ziel zweier Forscher der ETH und des Universitätsspitals Zürich. In einer grossen Arbeitsgruppe testen sie an Hunderten von Probanden, welche Stoffe genau bei welchen Krankheiten im Atem auftauchen.
Ihre Vision stellt im diagnostischen Bereich alles auf den Kopf: Anstelle von aufwändigen, teuren und unangenehmen diagnostischen Untersuchungen soll eine Analyse der Ausatmungsluft bereits ausreichen für eine Diagnose. «Das würde uns natürlich massiv helfen und auch für den Patienten wäre es viel angenehmer», sagt Malcolm Kohler. Er ist der Klinikdirektor der Pneumologie am Unispital Zürich und forscht gemeinsam mit dem Chemiker Renato Zenobi von der ETH im Rahmen der Hochschulmedizin Zürich am favorisierten Projekt «Zurich Exhalomics».
Kleinste Moleküle messbar
- Zurich Exhalomics Zurich Exhalomics
- Atemdiagnose bei COPD (englisch) Atemdiagnose bei COPD (englisch)
- Studie zur Methode (englisch) Studie zur Methode (englisch)
- Sensoren für Atemdiagnose Sensoren für Atemdiagnose
- Nationalfonds-Projekt 122264 Nationalfonds-Projekt 122264
- Nationalfonds-Projekt 159763 Nationalfonds-Projekt 159763
- Nationalfonds-Projekt 149617 Nationalfonds-Projekt 149617
Kohler und Zenobi glauben, den richtigen Weg gefunden zu haben. Ihr hochsensibles Massenspektrometer kann einzelne Stoffe in der Atemluft mit nie dagewesener Präzision nachweisen.
Das Gerät misst das Molekulargewicht. Das Gewicht sei eine wichtige Kenngrösse aller Moleküle, die ausgeatmet werden. «Wir können das Molekulargewicht mit enormer Präzision bestimmen – und das so hoch aufgelöst, dass wir 100 wenn nicht 1000 Substanzen im Atem erkennen können», sagt Renato Zenobi.
Das Muster dieser Substanzen könne eine Art Fingerabdruck für viele Krankheiten sein. Die Forscher nennen diese Merkmale Biomarker.
Atemdiagnostik liefert derzeit nur Hinweise
Im Klinikalltag hat die Atemgasanalyse noch kaum Einzug gehalten. In den Abteilungen der Lungenspezialisten, wie zum Beispiel im Kantonsspital Olten, gibt es bereits solche Analysegeräte. Aber endgültige und sichere Diagnosen – davon ist man noch weit entfernt.
Der sogenannte NO-Test gibt lediglich erste Hinweise. Dabei blasen Patienten ebenfalls in ein Röhrchen eines Messgeräts. Die Ärzte messen so die Entzündungen der Bronchien. Mit dem Ausgabewert des NO-Test lassen sich erste Hinweise erkennen, in welche Richtung gesucht werden muss.
«Eine Diagnose lässt sich aber noch nicht stellen. Man muss weitere Tests machen, um zu verstehen, was wirklich die Ursache der Problematik ist», sagt der Lungenspezialist Marc Maurer vom Kantonsspital Olten.
Erster Nutzen bei Schlafapnoe
In Zürich sind die Fortschritte in Richtung zielsichere Diagnose schon sehr real. Bei der Krankheit Schlafapnoe beispielsweise sind die Forscher bereits fündig geworden: Wenn Patienten mit den nächtlichen Atemaussetzern ihre wirksame Atemmasken-Therapie (CPAP) absetzen, lässt sich in der Ausatmungsluft deutlich ein Unterschied zwischen vorher und nachher darstellen. Grund dafür ist die Substanz Pentenal, die mit dem Massenspektrometer erkannt werden kann.
In einem nächsten Schritt wollen die Forscher nun auch bei Patienten, die noch keine Diagnose haben, die Krankheit erkennen. Mit ihrem hochempfindlichen Massenspektrometer sind die Forscher aber längst auch anderen Krankheiten auf der Spur – vor allem im Bereich der Lungenkrankheiten wie beispielweise COPD.
Die Technik kleiner machen
Eine weitere Forschungsgruppe im HMZ-Projekt «Zurich Exhalomics» arbeitet bereits daran, die Methode vom teuren und grossen Massenspektrometer auf miniaturisierte Formen herunterzubrechen. Andreas Güntner und Sotiris Pratsinis von der ETH entwickeln mit ihrem Team kleinste Sensoren, die Krankheiten erkennen sollen.
Dank den vom Massenspektrometer identifizierten Biomarker, wissen die Forscher, wie eine Krankheit «aussieht». Die Mini-Sensoren werden so entwickelt, dass sie nur auf einen spezifischen Biomarker ausgerichtet werden. Das ermöglicht tendenziell kleinere und billigere Messgeräte.
Das würde erst den breiten Einsatz im Feld ermöglichen. So können sich die Forscher etwa vorstellen, dereinst einen Sensor in Smartphones einzubauen, damit beispielsweise ein Diabetiker nur ins Handy blasen muss, um rechtzeitig gefährliche hohe Blutzuckerwerte zu erkennen.
Noch aber sind die Sensoren in einer sehr experimentellen Phase. Die Forscher testen weiter verschiedene Materialien und Technologien.