«Die Menschen haben immer das Gefühl: Lustvollen Sex zu haben sei dem Menschen angeboren», sagt Sexualtherapeutin Karoline Bischof. Angeboren aber sei ihm aber einzig die Fähigkeit, sich fortzupflanzen. «Und das ist die Art von Sex, den Tiere haben.» Doch der Mensch verbinde viel mehr mit Sexualität. «Er möchte seine Emotionen mit der Sexualität verbinden», sagt Bischof, «er wünscht sich Eros, Genuss, gemeinsames Erleben.» Das aber könne der Mensch nicht einfach von Natur aus, das müsse er lernen. Das heisst, er bräuchte jemanden dazu, der ihm beibringe, wie man Sexualität besonders lustvoll leben könne.
Verpönte Lust am eigenen Körper
Dass Selbstbefriedigung über lange Zeit kulturell stark abgewertet wurde und sie für viele Menschen mit Schamgefühlen besetzt ist, macht die Sache nicht einfacher. Sie tun etwas, was sein muss und sich auch gut anfühlt, was aber eigentlich verboten ist. Schuldgefühle und Scham begleiten die Menschen häufig bis ins Erwachsenenalter, oft sogar ein Leben lang.
Dass sie einer entspannten lustvollen Sexualität nicht unbedingt förderlich sind, ist selbsterklärend. Mangelnde Eigenverantwortung ist ein weiterer Hemmschuh. Viele Menschen sind sich nicht bewusst, dass sie an ihrem Sexualleben etwas ändern können. Jeder Mensch ist für seine Erregung und seinen Körper aber selber verantwortlich.
«Viele Frauen kennen ihren Körper kaum, aber aus Angst, ihren Partner zu verlieren, machen sie trotzdem mit», sagt Gynäkologin Regina Widmer. «Schmerzen beim Verkehr, Blasenentzündungen und irritierte Intimhaut danach sind häufig.» Wenn eine Frau froh sei, dass sie nicht mehr muss, weil er nicht mehr kann, frage sie in ihrer Praxis beharrlich nach. Dabei entdecke die Frau oft, dass sie ihre eigenen sexuellen Bedürfnisse nie richtig kennengelernt habe. Aber: «Genussvollen Sex kann man lernen, und das in jedem Alter», sagt Regina Widmer.
Männer wissen in der Regel bereits früh und gut, wie sie zu einer schnellen Entspannung kommen. «Viele eignen sich dabei ein Muster an, wie sie das machen, und haben dann Mühe, das in die Paarbeziehung zu übertragen», sagt Sexualtherapeut Stephan Fuchs. Der primäre Genuss liege in der Entladung, «Bewegungsmuster und Atmung bleiben dabei in sehr engem Rahmen, bei Frauen wie bei Männern.»
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Wer sich aber immer ganz steif mache und mit Druck und möglichst schnell befriedige, «weiss nicht, dass es auch eine andere Form der Selbstbefriedigung gibt», eine, die auch mit Entspannung zu tun habe, bei der man seinen gesamten Körper mit einbeziehe. «Da kommt etwas Neues dazu», sagt Stephan Fuchs, bei dem «man auch den Weg geniessen kann.» Und das sei, ist er überzeugt, ganz einfach zu lernen.
Männer und Frauen sind unterschiedlich
Ein Grossteil der Männer befriedige sich nicht auf den eigenen Körper fokussiert, sondern immer nach aussen gerichtet auf ein Objekt, sagt der Gendersoziologe Martin Schoch. Das zeige schon das grosse Angebot an Pornos im Internet, die sich vorwiegend Männer ansähen. «Der Mann denkt nicht in erster Linie daran, sich Gutes zu tun; er will vielmehr mit seiner sexuellen Phantasie den sexuellen Druck, den er aufgebaut hat, möglichst schnell wieder abbauen», sagt Schoch.
Bei der Frau sei das anders. Sie habe in ihrer Entwicklung meist einen anderen Bezug zu ihrem Körper geschaffen. «Sie musste erst lernen, dass sie ein Recht auf ihren Köper hat, auf Selbstbestimmung», so der Gendersoziologe; deshalb sei der Weg für sie, sich in der Selbstbefriedigung auf sich selber zu fokussieren, kürzer, als für den Mann.