«Mein Alltag hat sich total verändert. Früher stand ich um 7 Uhr auf, war um 8 Uhr im Büro, arbeitete bis um halb 6. Nun kann ich tagsüber ins Training oder ins Fitness und habe dafür am Abend Zeit für andere Dinge, kann meine Freundin sehen.
Das musste vorher alles nach der Arbeit reingequetscht werden. Somit ist mein ganzer Alltag komplett anders, seit ich Profi-Schiedsrichter bin.
Wenn ich nach einem Match zu Hause einzelne Szenen angeschaut habe, kann es auch vorkommen, dass ich nicht sofort einschlafen kann.
Der Tag ist zwar entspannter, die Abende jedoch umso intensiver. Oft komme ich spät nach Hause – nach Spielen in Genf oder Davos zum Beispiel. Manchmal schaue ich dann direkt nach dem Nachhausekommen einzelne Szenen an, um zu wissen: total falsch oder richtig entschieden.
Dann gehe ich ins Bett, stelle keinen Wecker und schlafe bis 9 oder 10 Uhr. Wenn ich wie im Januar in 12 Tagen 7 Spiele pfeife, ist es für mich sehr wichtig, viel zu schlafen.
An Game-Days ist es wichtig, den Kopf durchzulüften, ein bisschen nach draussen gehen zum Spazieren oder zum Training, joggen, Velo fahren. Dann geht es wieder zum nächsten Spiel.
Wenn ich nach einem Match zu Hause einzelne Szenen angeschaut habe, kann es auch vorkommen, dass ich nicht sofort einschlafen kann. Nach 60 oder 65 Spielminuten vollster Konzentration ist es nicht immer möglich, sofort den Schlaf zu finden.
Auf den Videobildern lässt sich oft die Bestätigung oder eine Antwort darauf finden, weshalb man einen gewissen Entscheid so gefällt hat. Wenn man dann beim Videostudium auch mal einen Fehlentscheid erkennt, dann nervt das natürlich und kann durchaus der Grund sein, weshalb ich nicht gleich einschlafen kann.
Der Austausch mit den anderen Schiedsrichtern und Linesmen beginnt schon in der Garderobe nach dem Spiel. Meistens schaut man, dass man ein Stück weit zusammen fahren kann, dann findet dort schon ein Austausch statt, um den Eindruck der anderen zu erhalten: Wie haben sie das gesehen?
Wenn es ganz kritische Entscheidungen waren, wird unsere Führung meistens gleich per SMS informiert , dann können sie die Situation schon im Video anschauen. Je nachdem telefonieren wir dann schon.
Was könnte passieren? Was ist die History dieser Begegnung?
Ich schaue von jedem Spiel die Schlüsselszenen nochmals an. Manchmal notiere ich mir im Match die Zeit, dann kann ich zuhause schnell zu dieser Szene spulen. Zudem haben wir unsere individuellen Supervisors, die sich etwa 15 bis 20 Mal im Jahr ein Spiel von uns anschauen und direkt Feedback geben.
Jetzt kann ich die Vor- und Nachbearbeitung intensiver angehen. Früher, als ich am nächsten Tag arbeiten gehen musste, musste ich so schnell wie möglich ins Bett und schaute am nächsten Tag nur 3, 4 Schlüsselszenen an. Jetzt gibt es mehr Dinge, die ich anschaue. Früher dauerte die Spielbearbeitung vielleicht eine halbe Stunde, heute sicher 60 bis 90 Minuten.
In der Vorbereitung schaue ich darauf, wer die Schlüsselspieler sind und überlege mir vorgängig: Was könnte passieren? Was ist die History dieser Begegnung? Die Mannschaften spielen in der Qualifikation vier- oder sechmal gegeneinander: Gibt es irgendwelche Geschichten aus dem letzten Spiel, vor allem wenn es ein ‹Hin- und Rückspiel› (back-to-back) ist?
Dann telefoniert man auch noch mit der Crew, die das Spiel am Vortag leitete, um herauszufinden, ob es etwas gibt, das sich auf das nächste Spiel übertragen könnte – beispielsweise zwei Spieler, die sich immer wieder getroffen haben. Es geht vor allem darum, dass man nicht überrascht wird und auf gewisse Dinge schon vorbereitet ist.»
Sendebezug: Laufende Berichterstattung zur NLA.