Auch Lando Norris musste da durch. Auch ihm war das Etikett des jungen Schnösels umgehängt worden, der nur dank finanzieller Mitgift den Aufstieg zum Formel-1-Fahrer schaffte. Beim Blick auf den familiären Hintergrund des damaligen Teenagers war die Meinung schnell gemacht. Da hatte sich der Sohn eines steinreichen Papas den Weg nach oben dank viel Geld freigekauft.
Es stimmt, dass Norris aus gutem Hause kommt. Das Vermögen seines Vaters Adam wird auf gut 200 Millionen Pfund geschätzt. Und es stimmt natürlich, dass Adam Norris seinen Filius in den ersten Jahren grosszügig unterstützt hat.
Aber es stimmt nicht, dass Lando Norris die Beförderung zum Stammfahrer im Rennstall McLaren einem dicken Check des Vaters verdankt. Solche Gerüchte wurden auch nur abseits des inneren Zirkels der Formel 1 gestreut, in Kreisen von Leuten, die mit der Materie nicht vertraut waren.
Die frühen Erfolge
Norris machte früh auf sein Talent aufmerksam. In den Nachwuchs-Kategorien gewann er so ziemlich alles, was es zu gewinnen gab. Vor dem Übertritt in die Formel 1 wurde er hinter seinem nunmehr beim Team Mercedes engagierten englischen Landsmann George Russell in der Formel 2 Zweiter.
Anlaufschwierigkeiten hatte der Emporkömmling auch in der Formel 1 keine. Zwei Wochen nach seinem Debüt im Grand Prix von Australien, das er im Alter von 19 Jahren und 125 Tagen als jüngster Brite gegeben hatte, lieferte er bereits Zählbares ab. Dank Platz 6 im Grossen Preis von Bahrain sicherte er sich 2019 seine ersten acht WM-Punkte. Mit dem ersten Grand-Prix-Sieg setzte Norris am Sonntag in Miami das nächste grosse Ausrufezeichen.
Die schlimmste Phase
Norris' Einstand in der Formel 1 vor fünf Jahren fiel in eine Zeit, in der das einst dominierende Team McLaren nach der schlimmsten Phase seiner ruhmreichen Geschichte langsam wieder auf die Beine kam. Das dunkle Kapitel war nicht nur von der sportlichen Talfahrt, sondern auch von Geldnot geprägt.
Die Corona-Pandemie verschärfte die finanzielle Schieflage zusätzlich. Die Produktion musste zwischenzeitlich eingestellt werden, die Autoverkäufe brachen ein, dazu verzögerte sich der Start der Formel-1-Saison um mehrere Monate, so dass auch diese Geldquelle versiegte. Bei McLaren waren sie gezwungen, den Personalbestand zu reduzieren. 800 Angestellte verloren ihren Arbeitsplatz.
Die britische Regierung lehnte einen Antrag auf Staatshilfe ab. Als Retterin sprang die Nationalbank von Bahrain ein. Sie stellte der McLaren Gruppe einen Kredit in der Höhe von umgerechnet 175 Millionen Franken zur Verfügung.
Das zusätzliche Kapital
Die Finanzspritze aus dem arabischen Raum reichte den Verantwortlichen nicht. Für ihren Plan, den Traditionsrennstall wieder zu einstiger Stärke zurückzuführen, war zusätzliches Kapital nötig. In einem ersten Schritt holten sie vor dreieinhalb Jahren MSP Sports Capital aus den USA ins Boot. Vier Monate danach folgte als nächste Stufe der Verkauf der Firmen-Basis in Woking. Die Veräusserung der prachtvollen Anlage in der englischen Grafschaft Surrey brachte 170 Millionen Pfund ein.
Bei McLaren sind sie überzeugt, mit den vielerorts kritisch beäugten Transaktionen die richtigen Entscheide gefällt zu haben. Mit den wieder ins Lot gebrachten Finanzen sehen sie die Basis gelegt, um ihre ambitiösen Pläne umzusetzen. Am Sonntag sind sie ihren Zielen wieder ein Stück näher gerückt.