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Er gilt seit Jahren als potenzieller Thronfolger von «King Roger» und war 2014 drauf und dran, in dessen grosse Fussstapfen zu treten: Grigor Dimitrov. In dieser Saison läuft es dem Bulgaren aber überhaupt nicht nach Wunsch, sowohl sportlich als auch privat - er trennte sich im Sommer nach zweijähriger Beziehung von Maria Scharapowa - macht er schwere Zeiten durch.
Grigor Dimitrov, 2014 in Wimbledon waren Sie ganz nahe am grossen Durchbruch. Jetzt, gut 15 Monate später, sind Sie noch die Nummer 28 der Welt. Was ist schief gelaufen?
Grigor Dimitrov: Ich erlebte ein Auf und Ab; es ist eine schwierige Saison. Ich spielte nie ein ganzes Turnier lang gutes Tennis. Die Leistungen reflektieren bis zu einem gewissen Grad, wie ich trainierte. Zudem investierte ich viel Zeit, um mein Team neu zusammenzustellen. Ich will etwas Stabiles schaffen, das es mir ermöglicht, etwas Neues zu beginnen. Ich muss geduldig sein und schauen, dass ich im Hinblick auf nächstes Jahr eine gute Vorbereitung absolviere.
Deiner Familie und deinen Freunde liegt wirklich am Herzen, wie gut du spielst. Alle anderen wenden sich ab, wenn es nicht gut läuft.
Schon in jungen Jahren wurden Sie als Star der Zukunft gehandelt; 2013 prognostizierte die Sportzeitung l'Equipe, Sie würden 2018 die Weltrangliste anführen. Empfinden Sie diese hohen Erwartungen als Belastung?
Seien wir ehrlich: Deiner Familie und deinen Freunde liegt wirklich am Herzen, wie gut du spielst. Alle anderen wenden sich ab, wenn es nicht gut läuft. Das gehört zum Tennis und zum Leben. Daher lese ich nicht oft, was über mich geschrieben wird. In letzter Zeit wurde ich aber oft harsch kritisiert. Ich wünschte, diese Leute wären mal an meinem Platz und spürten, wie es sich anfühlt. Es ist sehr einfach, über jemanden zu urteilen, ohne zu wissen, was in dieser Person vorgeht. In den Schuhen des Kritisierten zu stecken, ist nicht immer einfach. Das sage ich Ihnen.
Inwiefern wirkt sich auf das Tennis aus, was im Privatleben vorgeht? (Dimitrov trennte sich im Sommer von seiner Freundin Maria Scharapowa, Anm. d. Red.)
Klar wirkt es sich auf dem Platz ein wenig aus, was im Privatleben vorgeht. Logisch, ist Tennis meine Priorität. Ich will so gut spielen wie möglich, doch zuletzt fand ich das Gleichgewicht nicht. Es war schwierig, zu verstehen, was mit mir passierte dieses Jahr – auf und neben dem Platz. Mir fehlen viele Trainingseinheiten, ich fühle mich weniger fit als im letzten Jahr. Heuer habe ich das Tennis wegen anderer Sachen ein wenig vernachlässigt. Das ist eine Phase, die ich durchmache.
Das jetzt ist für mich ein Charaktertest. Es geht darum, das ‹wahre Ich› zu finden.
Ist es für Sie jetzt noch beeindruckender zu sehen, wie Djokovic und Federer spielen – quasi ohne Rückschläge?
Sicher, das ist eine unglaubliche Leistung, deshalb stehen sie dort oben. Doch derzeit ergibt es keinen Sinn, uns zu vergleichen. Klar ist es schmeichelhaft, bin ich so oft mit Roger verglichen worden, aber was soll das? Einer hat 4 Titel gewonnen, der andere gegen 100 Titel und 17 Grand-Slam-Turniere. Ich kann zu ihnen hochschauen, auf der anderen Seite sind wir manchmal Gegner. Ich weiss, dass ich an einem wirklich guten Tag jeden von ihnen schlagen kann. Aber sie haben ein paar Sachen deutlich früher kapiert als ich und haben gleichzeitig viel mehr Erfahrung – richtig? (lacht).
Sind Sie immer noch überzeugt, dass Sie es bis ganz an die Spitze schaffen und Grand-Slam-Turniere gewinnen können?
Nun ja, ich war ja ziemlich nahe dran. Aber um ehrlich zu sein: Momentan ist es ein weiter Weg. Es ist der falsche Zeitpunkt, um darüber nachzudenken. Ich bin überzeugt, dass ich erfolgreich sein kann. Aber es gehört so viel dazu: Das Training, das Team, die Turnierplanung. Im letzten Jahr habe ich unglaublich gespielt, bin auf einer Welle gesurft und alles lief perfekt. Aber es ist einfach, gut zu spielen, wenn alles rund läuft. Das jetzt ist für mich ein Charaktertest. Es geht darum, das «wahre Ich» zu finden. Keine Vergleiche und grossen Erwartungen mehr. Jetzt geht es um mich. Es ist ein neues Kapitel, meine Geschichte, die neu geschrieben wird - mit meiner Unterschrift darunter.
Du kannst an einem Tag die Nummer 8 der Welt sein, am nächsten nur noch die Nummer 28.
Sie haben noch Zeit.
Ja, ich habe noch Zeit. Aber die möchte ich nicht vergeuden. Ich hoffe, ich bleibe gesund, kann mich danach etwas ausruhen und dann voller Elan in die Saisonvorbereitung starten.
Es gab zuletzt viele junge Spieler wie Kyrgios oder Coric, die sich nach vorne gearbeitet haben. Nimmt es etwas Druck, dass diese zuletzt öfter im Rampenlicht standen?
Das ist eine gute Frage. Ich weiss nicht, ob ich hier eine gute Antwort geben kann. Ich weiss, wie es sich anfühlt. Wenn man einfach rausgeht, drauflos spielt - es ist das beste Gefühl überhaupt. Wir befinden uns momentan in einer sehr spannenden Ära, viele der Jungen werden sehr gut werden und uns das Leben schwer machen. Sie haben das gewisse Etwas, dessen sind wir uns alle bewusst. Dieses Level aufrecht zu halten und den nächsten Schritt zu machen, ist aber etwas vom Schwierigsten. Wenn ich eines weiss, dann das: Du kannst an einem Tag die Nummer 8 der Welt sein, am nächsten nur noch die Nummer 28.
Sendebezug: SRF zwei, sportpanorama, 26.10.2015, 18:15 Uhr.