Der Extremfall sind Katastrophenhelfer, Kriegsopfer, Missbrauchsopfer oder Soldaten. Sie sind über längere Zeit stark belastenden Situationen ausgesetzt und leiden danach sehr häufig unter psychischen Problemen. So weit muss man jedoch gar nicht gehen. Fast jeder Mensch erleidet irgendwann in seinem Leben ein psychisches Trauma. Schon Ereignisse wie ein Überfall, ein Verkehrsunfall oder der Tod eines Nahestehenden können zu psychischen Veränderungen führen, die nicht mehr von alleine verschwinden. Häufig erleben Betroffene die belastende Situation im Kopf ständig wieder, haben Albträume, vermeiden jegliche Situationen, die sie ans Trauma erinnern. Sie fühlen sich hilflos und können ihr Leben nicht wie gewohnt weiter führen. In solchen Fällen spricht man von einer posttraumatischen Belastungsstörung, die eine Therapie erforderlich macht.
Psychotherapie
In jeder Psychotherapie geht es darum, das Trauma zu verarbeiten, so dass es nachher als Teil der Vergangenheit nicht mehr ständig in die Gegenwart einbricht. Die klassische Gesprächstherapie tut dies in Form der sogenannten Expositionstherapie. Dabei geht es darum, die traumatische Situation in der Erinnerung noch einmal möglichst intensiv zu durchleben – zum Beispiel durch genaues Beschreiben aller Details, oder durch Bilder, oder durch eine Konfrontation mit dem tatsächlichen Schauplatz. Das wiederholt sich in mehreren Sitzungen so lange, bis Betroffene sozusagen „immun“ gegen das Erlebnis werden und sich neutraler erinnern. Die Wirksamkeit dieser Therapie ist eindeutig erwiesen, jedoch ist sie für den Patienten zeitintensiv und nicht selten psychisch sehr belastend.
EMDR - Heilen über die Augen
Seit gut 20 Jahren breitet sich nun die Therapieform EMDR zunehmend aus. EMDR steht für Eye Movement Desensitization and Reprocessing, auf Deutsch etwa Verarbeiten und Desensibilisierung durch Augenbewegungen. Das Prinzip wurde von der amerikanischen Sozialarbeiterin Francine Shapiro per Zufall entdeckt, als sie sich selbst in einer belastenden Situation befand und auf einem Spaziergang plötzlich feststellte, dass die unangenehmen Gedanken verschwanden, als sie ihre Augen schnell hin und her bewegte. Daraus entstand ein umfassendes Therapiekonzept, das als zentrales Element schnelle, wechselseitig ausgeführte Augenbewegungen beinhaltet. Inzwischen wird die Therapie auch häufig mit wechselseitigen Berührungsreizen („Tapping“) oder Tönen im Ohr durchgeführt, wichtig ist gemäss Theorie die abwechselnde Stimulation der beiden Hirnhälften. Dies soll das Gehirn in einen Zustand versetzen, in dem es negative Ereignisse neu verarbeiten und abspeichern kann, so dass Betroffene sie danach nicht mehr als belastend empfinden. Warum das funktioniert, ist bislang unklar – möglicherweise beruht der Effekt auf der Ähnlichkeit zu den schnellen Augenbewegungen beim Träumen (REM-Schlaf), wo man ja ebenfalls davon ausgeht, dass Emotionen verarbeitet werden.
Vorteile EMDR
Auch wenn Francine Shapiro im Selbstversuch einen Erfolg bemerkte: Nur Profis sollten eine EMDR-Therapie durchführen. Denn die Methode unterliegt einem genau definierten System. Zuerst erarbeitet der Patient mit Hilfe seines TherapeutenHilfehI das Bild, das ihn am stärksten belastet und benennt das negative Gefühl, das mit diesem Bild verknüpft ist. Er überlegt sich, welches positive Gefühl er an dessen Stelle lieber hätte. Dabei behält er immer auch momentane Gefühle im Körper im Blick. Erst dann folgt die beidseitige Stimulation, meistens mit Augenbewegungen, während der dann die Situation neu bewertet wird. Dies wiederholen Therapeut und Patient so lange, bis der Patient dem Trauma neutral gegenüber steht. Der Vorteil gegenüber der konventionellen Gesprächstherapie ist, dass Betroffene nur ein Bild wieder heraufbeschwören müssen, statt das ganze Trauma Schritt für Schritt noch einmal zu durchleben. Das empfinden manche Patienten als psychisch weniger belastend. Zudem fanden einzelne Studien, dass die Besserung oft etwas früher einsetzt als in der reinen Gesprächstherapie. Einziger Nachteil: Ob der Effekt letztendlich wirklich auf den Augenbewegungen beruht oder nicht, muss Glaubenssache bleiben und erfordert daher vom Patienten die Bereitschaft, sich darauf einzulassen.