Mit einem Schrittzähler messen, wie viele Schritte man am Tag geht, mit der elektronischen Waage sein Gewicht kontrollieren oder ins Smartphone eingeben, wie viele Kalorien man gerade zu sich genommen hat: Immer mehr Zeitgenossen kontrollieren ihren Lebensstil penibel.
«Die Idee hinter ‹Quantified Self› ist: Man zeichnet persönliche Daten auf und wertet sie aus, um sich besser verstehen zu lernen», sagt Florian Schumacher. Er ist einer der Pioniere der «Quantified Self»-Bewegung im deutschsprachigen Raum.
Daten für ein besseres Leben
Die meisten Selbstvermesser erheben die Daten über sich selbst zu Sport, Gesundheit oder ihrem Wohlbefinden nicht nur aus Neugierde, sondern mit dem Ziel, ihr Leben zu verbessern. «Man zeichnet zum Beispiel sein Gewicht oder seinen Blutdruck auf und schaut: Wie verändern sich die Werte, wenn man in seinem Lebensstil gewisse Änderungen vornimmt», sagt Schuhmacher. Das motiviere auch, an seinen neuen Gewohnheiten festzuhalten.
Verlässliche Zahlen zur «Quantified Self»-Bewegung gibt es erst aus den USA. «Eine erste repräsentative Studie zeigt, dass jeder zehnte Erwachsene in den USA gesundheitliche Selbstvermessung betreibt – Tendenz steigend», sagt die Soziologin Nicole Zillien von der Universität Trier, die sich wissenschaftlich mit dem Phänomen befasst.
Selbstüberwachung per Smartphone
Die Selbstüberwachung muss man sich wie ein sehr detailliertes Tagebuch vorstellen. Wie viele Kalorien hat man konsumiert? Wie viele Schritte ist man gegangen? Wie hoch ist der Blutdruck? Nur dass Papier und Bleistift passé sind; dazu gibt es heute Computerprogramme und Handys.
«Smartphones haben das enorm beflügelt», meint Florian Schuhmacher, «weil die Menschen heute gewohnt sind, dass sie rund um die Uhr und von überall her auf ihre persönlichen Informationen zugreifen können.» Zudem gebe es immer mehr technische Hilfsmittel, die dazu passen: Geräte, die zum Beispiel die Anzahl Schritte drahtlos auf das Smartphone übertragen.
Wettbewerb unter Gleichgesinnten
Der Clou dabei: Diese Informationen kann man über das Internet mit anderen Selbstvermessern teilen. «Beispielsweise lassen sich Lauftrainigszeiten durch spezifische Apps gleich in Facebook veröffentlichen», sagt Soziologin Zillien, «hier spielt der Wettbewerbsgedanke natürlich eine wichtige Rolle. Wer Zuschauer hat, der strengt sich unter Umständen auch mehr an».
Bedenken wegen des Datenschutzes
Es gibt allerdings auch Kritik an diesem eifrigen Datensammeln – hinsichtlich des Datenschutzes und der Privatsphäre. Oder die Sorge, dass sich eine Krankenkasse plötzlich für die Selbstvermesser-Daten interessieren könnte. «Die Befürchtung ist nicht ganz unbegründet», sagt Zillien.
Was heute optional und selbst gewählt sei, könne morgen zum Zwang werden, dem man sich nicht ohne weiteres entziehen könne, so die Soziologin. Eine Krankenkasse könnte zum Beispiel nur jenen Personen einen Rabatt anbieten, die per Selbstvermessung einen Lebensstil nachweisen, den die Kasse als gesund einstuft. Alle anderen müssten mehr bezahlen.
Selbstbespiegelung als Zeitvertreib
Ob die Selbstvermessung eines Tages zu einer derartigen Revolution im Gesundheitswesen führen wird, wie Skeptiker prophezeien, ist völlig offen. Im Moment ist die Bewegung der Selbstvermesser aber einfach noch ein grosser Tummelplatz für Menschen, die sich gerne mit sich selbst beschäftigen.