Die Sprache ist ein wandlungsfreudiges Konglomerat von Wörtern und Regeln. Ständigen Veränderungen unterworfen, altert gerade der Wortschatz schnell und wirkt rasch antiquiert. Das merken wir schon, wenn wir einen bloss hundertjährigen Text lesen und erst recht, wenn wir versuchen, ein mittelalterliches Gedicht im Original zu verstehen.
Doch keine Regel ohne Ausnahme. Einige Wörter haben nämlich ein erstaunlich langes Leben. Linguisten listen in einer aktuellen Studie in der Fachzeitschrift PNAS allerlei Vokabeln auf, deren Ursprung sie in einer 15'000 Jahre alten euro-asiatischen Ursprache vermuten. Damals lebten die Menschen in Europa als Jäger und Sammler. Sie genossen das Tauwetter und breiteten sich nach und nach über Eurasien aus. Denn die letzte Eiszeit war eben dabei auszuklingen. Die Eisschilde zogen sich bis nach Sibirien zurück.
Die Mutter vieler Sprachen
Mit den Menschen wanderte auch die Sprache. Zunächst noch eine Art euroasiatische Super-Sprache, sollte sich diese in sieben grosse Sprachfamilien und viele einzelne Idiome verzweigen – über den Zeitraum der nächsten 15 Jahrtausende. Das jedenfalls ist das Alter der Ursprache, das die Forscher um Mark Pagel von der britischen University of Reading in mit ihren statistischen Modellen berechnet haben.
Aus dieser eiszeitlichen Ursprache entstanden nach und nach die grossen Sprachfamilien – vom Indoeuropäischen bis zum Altaischen und Dravidischen. Aus diesen wiederum entwickelte sich eine Vielzahl von Idiomen: von Deutsch bis Türkisch, von Baskisch bis Bengalisch, von Finnnisch bis Tamil.
Du, ich, wer, wir, Hand …
Doch so verschieden die Sprachen heute sind, gewisse Wörter teilen sie sich noch heute. Diese ultra-konservierten Wörter haben während Jahrtausenden ihre Aussprache und Bedeutung kaum geändert. Dazu gehören Wörter wie: du, ich, nicht, das, wer, wir, geben, Mutter, Hand.
Es sind Wörter, die auf anrührende Weise zeigen, dass es beim Sprechen im Kern immer um soziale Beziehungen, um Vereinbarungen oder um Koordination gemeinsamen Handelns geht. Mark Pagel und seine Kollegen haben eine Liste mit 23 Wörtern rekonstruiert, die in ihrer Einfachheit berührt – auch den Forscher selbst.
Alltagswörter sind langlebiger
Die Linguisten untersuchen die Evolution der Sprache schon länger mit statistisch-mathematischen Methoden. Sie haben nach Gesetzmässigkeiten zur Lebensdauer von Wörtern gesucht und festgestellt: Wörter, die in der Alltagssprache häufig benutzt werden, sind weit langlebiger als solche, die seltener Anwendung finden. Zudem scheinen gewisse Wortgruppen dauerhafter zu sein: Pronomen, Adjektive und Adverbien leben länger als Verben.