Wer in Schweizer Discos tanzen geht, hat im besten Fall einen schönen Abend gehabt. Im schlimmsten bleiben Augenschäden fürs Leben. Das zeigen zwölf Testmessungen des Eidgenössischen Institutes für Metrologie Metas. Das Resultat: Eine Überschreitung des gesetzlichen Grenzwerts um das 20-fache war das Mindeste – an einem Messort zeigten die Geräte gar das 100-fache an. Testleiter Peter Blattner stiess auf Erstaunen: «Den Verantwortlichen ist das Gefährdungspotenzial bewusst. Aber sie glauben, sie könnten es von Auge einschätzen».
Das bestätigt auch Thomas Oberholzer, der ehemalige Besitzer des Alpenrock House in Kloten. «Ich habe 30 Jahre lang in Laserstrahlen geschaut und sehe immer noch scharf», sagt Thomas Oberholzer. Er pocht auf seine Erfahrung. Schliesslich führte er jahrzehntelang das Alpenrock House in Kloten, jetzt richtet er die gleiche Laser-Anlage in Dietikon ein.
Erblindet nach der Laser-Show
Wie schädlich Disco-Laser für die Augen sind, ist bis heute vielen unbekannt. Erst als vor wenigen Jahren in Moskau mehrere Teilnehmer erblindeten, horchte die Fachwelt auf. Eine Aussenshow war wegen eines Unwetters in ein Zelt umplatziert worden. Doch man hatte vergessen, die Laser-Stärke zu drosseln.
Thomas Oberholzer wollte vom Metas wissen, ob er die alte Anlage auch am neuen Standort in Dietikon einrichten kann. «Einstein» war exklusiv bei der freiwilligen Messung dabei. Resultat: Die Erfahrung ist ein schlechtes Messgerät. Der Grenzwert (siehe Box) wurde punktuell um das 10-fache überschritten. Ein vergleichsweise tiefer Wert. Doch Oberholzer moniert: «Wenn die Strahlen so gefährlich sind, warum gibt es dann hierzulande keine geschädigten Besucher?»
Augenschäden werden nicht erkannt
Die Frage ist berechtigt. «Einstein» hat in mehreren Spitälern und bei der SUVA nachgefragt. Bis heute wurde keine Schädigung nachgewiesen. Im Kantonsspital Luzern meldeten sich Patienten, die über Blendung klagten, Schäden hatten sie aber nicht. Genauso im Universitätsspital des Kantons Basel. Dennoch beunruhigen die Testresultate des Metas den Oberarzt der dortigen Augenklinik, Pascal Hasler. Eine 20- bis 100-fache Überschreitung des Grenzwertes hatte er nicht erwartet.
Hasler kennt Schädigungen durch Laserpointer der Klasse 3B und 4. Die sind in der Schweiz nicht zugelassen, werden aber via Internet importiert. In der gleichen Klasse bewegen sich legale Lasershows. «Trifft ein Laserstrahl auf die Pupille, schädigt er die Sehkraft fürs ganze Leben», sagt der Fachmann, «dabei braucht es nicht mal derart hohe Überschreitungen. In einem dunklen Raum ist die Pupille weit geöffnet, verletzlich wie sonst nie!»
Wie viele Menschen bereits geschädigt sind, weiss niemand. Junge Leute gewöhnen sich schnell mal an einen schwarzen Punkt oder einen Schatten im Sehfeld. Woher der Schaden kommt, kann man nicht mehr sagen, wenn er Jahre später entdeckt wird. Hasler kann dann nur noch die Vernarbung diagnostizieren: «Das kann ein Lasershow-Schaden, aber auch ein alter Unfall oder eine Infektion gewesen sein», sagt er. «Wer eine Veränderung spürt, soll sie sofort untersuchen lassen. Machen können wir zwar nichts. Aber wir brauchen endlich eine klare Datenlage. Ohne Beweise glauben uns viele Jugendliche nicht, dass Lasershows gefährlich sind.»
Prüfen ja – aber wie?
In der Schweiz kontrollieren seit 1996 die Kantone, ob Lasershows die Grenzwerte einhalten, auch wenn die Betreiber letztlich verantwortlich sind. Bei Übertretung werden die Betreiber verzeigt. «Einstein» hat nachgefragt: Es herrscht ein Vollzugs-Notstand. So meint Christian Mikolasek vom Kanton Zürich, man könne diese gesetzliche Pflicht nicht erfüllen. «Bisher existiert keine mobile Messmethode, die zu exakten Resultaten führt. Wir wollen prüfen, aber wir können nicht.»
In einer repräsentativen Befragung des BAG hat ein Viertel aller Lasershow-Besucher bestätigt, bereits einmal geblendet worden zu sein. Das ist auch der Grund, weshalb das Amt in seiner Verordnung die strengen Werte der internationalen Lasersicherheitsnorm (IEC 60825-1) anwendet. Dass aber die Kontrollen kaum praktikabel sind, weiss man auch hier.
In den letzten drei Jahren hat das BAG deshalb Gas gegeben. Der Zuständige Beat Gerber hat die international gängigen Messmethoden studiert. Fazit: ungenügend. «Einige Länder testen häufiger, doch die Methoden messen nur punktuell. Sie müssten aber dreidimensional sein, den ganzen Publikumsbereich einbeziehen. Das ist es, was wir brauchen und wollen.»
Lasershows sicher machen, nicht verbieten
Gemeinsam mit dem Metas hat das BAG eine mobile Mess-Station entwickelt: Der Laser Show Risk Analyzer (Lasra). Das Programm berechnet für jede Stelle und jeden Moment einer Show die maximal zulässige Strahlung und die allfällige Überschreitung des Grenzwerts. Die Werte werden mit dem dazugehörigen Bild aus der Lasershow abgespeichert. So erkennt der Veranstalter sofort, an welcher Stelle seiner Show das Publikum gefährdet ist und kann punktuell korrigieren.
Das BAG hofft, dass die Ausrüstung schon bald serienmässig produziert werden kann. Beat Gerber ist zuversichtlich. «Unser Ziel ist es, dass die Kantone ihre Verpflichtung besser erfüllen können. Ich überlege auch, wie die Organisation der Stichproben vereinfacht werden könnte.» Doch Bundesrat und Parlament werden über Vorschläge entscheiden. Sicher ist: Mit der neuen Ausrüstung ist der Grundstein gelegt. «Das neue Messsystem soll sichere Lasershows ermöglichen, nicht verbieten.» Darin scheinen sich Bund und Kantone einig. Und auch Thomas Oberholzer vom ehemaligen Alpenrock House nickt: «Endlich haben die vom Bund mal etwas Innovatives gemacht!»