Die Tigermücke ist auf der Alpennordseite angekommen. Das zeigt das grösste Überwachunsprogramm, das die Schweiz je lanciert hat. Den Sommer über hat ein Biologenteam des Swiss Tropical and Public Health Institute (Swiss TPH) in der ganzen Schweiz 250 Tigermücken-Fallen aufgestellt. Im Auftrag des Bundesamtes für Umwelt wollte man Klarheit darüber, ob das tropische Insekt aus Südostasien auch in der Deutschschweiz vorkommt.
Die Tigermücke ist alles andere als harmlos. Sie kann gefährliche Krankheiten wie das Dengue- oder das Chikungunyafieber übertragen. Tatsächlich: Bei drei Autobahnraststätten in Uri, St. Gallen und Bern wurden total rund 120 Tigermückeneier gefunden. Der Befund ist zweifelsfrei, denn die Eier wurden von Mabritec in Riehen, einem spezialisierten Labor für mikrobiologische Analysen, untersucht und mit hunderten von Referenzproben abgeglichen, die die ETH Zürich geliefert hat.
Tigermücke braucht ein Vehikel
Dass die Tigermückeneier ausgerechnet in den Fallen bei Autobahnraststätten gefunden wurden, erstaunt die Experten nicht. Der Leiter des schweizweiten Monitorings, Pie Müller vom Swiss TPH, hat die Verteilung der 250 Fallen auf rund 30 Standorte koordiniert. Ausgewählt hat er dafür Verkehrsachsen und Warenumschlagplätze in der Schweiz: Flughäfen, Schiffshäfen, SBB-Cargo-Stationen und Autobahnen. «Alles Orte, wo viel Verkehr ist oder Container aus dem Ausland verladen werden», so Projektleiter Pie Müller.
Aus der Erfahrung anderer Länder ist bekannt, dass Tigermücken stets ein «Vehikel» brauchen, um grosse Distanzen zu bewältigen. Selber fliegt dieses Insekt nur etwa 100 bis 200 Meter weit. Im Zuge der Globalisierung von Handel und Verkehr ist der ursprünglich aus Südostasien stammende Krankheitsüberträger mittlerweile als blinder Passagier auf allen Kontinenten angekommen und teilweise auch etabliert.
Noch keine flugtüchtigen Mücken gefunden
Bereits 2003 gelang im Tessin der erste Nachweis von Tigermücken, nun stossen die aggressiven Stechmücken auch in die Deutschschweiz vor. Allerdings relativiert Basil Gerber, der Auftraggeber vom BAFU, den Befund: «Trotz intensiver Nachkontrollen fanden wir keine einzige erwachsene, flugtüchtige Tigermücke und bei späteren Kontrollen auch keine weiteren Eiablagen an den betreffenden Fundstellen. Daraus schliessen wir, dass es in der Deutschschweiz bis jetzt keine Vermehrung gibt.» Vermehrung und die Entstehung einer Tigermücken-Populationen wäre gemäss BAFU die Voraussetzung dafür, dass sich die Mücke etabliert, also heimisch werden kann. «Ein paar Mückeneier an wenigen Standorten reichen dafür nicht.»
Da die Tigermücke ein ursprünglich tropisches Insekt sei, würde sie zudem den kommenden Winter nicht überleben, sagt Gerber weiter. Sollte der Klimawandel jedoch in den kommenden Jahren oder Jahrzehnten zu einer weiteren Erwärmung führen, begünstigt dies das Überleben invasiver Insekten in Mitteleuropa, zu denen auch die Tigermücke gehört.
Keine infizierten Tigermücken gefunden
Dass Tigermücken in der Deutschschweiz schon bald gefährliche Tropenkrankheiten übertragen könnten, schliessen Experten vorläufig aus. Erst wenn die Tiere auf bereits erkrankte Personen treffen und sie stechen, können sie die Viren aufnehmen und auf gesunde Menschen übertragen. Die Wahrscheinlichkeit scheint gering, obwohl es sowohl in Italien als auch in der Schweiz schon Patienten mit Chikungunya-Fieber gegeben hat. Gemäss Bafu gehen diese Fälle alle auf Touristen zurück, die sich bereits ausserhalb Europas angesteckt hatten. Von Mensch zu Mensch ist die Krankheit nicht übertragbar.
Ist die Mücke infiziert, sind es auch ihre Eier. «Die Ablagen in der Schweiz sind alle sauber», sagt Basil Gerber, Leiter der Sektion Biotechnologie beim BAFU. «Wären sie infiziert, müsste es bereits Erkrankte in Italien oder im Tessin geben, und das ist nicht der Fall».
Trotzdem hat der Bund einen Masterplan für die kommenden Jahre. Das «nationale Programm zur Ueberwachung und Bekämpfung der Tigermücke» sieht vor, dass die Tigermücke bekämpft und nach Möglichkeit ausgerottet werden soll. In der Deutschschweiz heisst das, dass sie nun weiterhin mit Eier-Fallen kontrolliert und überwacht wird. Bis zur kommenden Saison werden Kantone und Bevölkerung detailliert über Präventionsmöglichkeiten und Gefahren informiert.