Haben Sie schon mal nachgeschaut, wie viele Satelliten für die Standortbestimmung ihres Smartphones verantwortlich sind? Ich nicht. Bis gestern. Da habe ich mir die kostenlose App «AndroiTS GPS Test» auf mein HTC One geladen. Sie macht sichtbar, welche Satelliten von meinem Smartphone gerade benutzt werden, um meinen Standort möglichst genau zu berechnen.
Russland sieht mit
Um 14:21 Uhr öffne ich im SRF-Studio am Zürcher Leutschenbach also die App: Neun US-amerikanische Satelliten schauen gerade auf mich herab – und drei russische. Ein Aprilscherz?
Was in vielen Geräten als GPS ausgegeben wird, ist längst eine Kombination verschiedener Satellitensysteme. In der Schweiz ist derzeit neben dem GPS-System nur das russische «GLONASS» verfügbar.
Sowohl GPS als auch GLONASS entstanden als militärische Systeme während des Kalten Krieges. Erstmalig voll funktionsfähig war das russische System im Jahr 1993. Doch weil die Sowjetunion zerbrach, fehlten die Ressourcen, um das Projekt weiter zu pflegen. Bis Wladimir Putin kam.
Im Jahr 2001, als nur noch zwölf der über 50 Satelliten funktionsfähig waren, liess der russische Staatspräsident das System neu ausbauen. Heute decken die 24 Satelliten die ganze Welt ab – die meisten Smartphones greifen auch auf die russischen Daten zu.
Die Technologie in unseren Smartphones macht das möglich: Zwar senden GPS und GLONASS auf unterschiedlichen Frequenzen und sind zunächst voneinander unabhängig. Doch in den Endgeräten werden die Signale miteinander verrechnet. Mein HTC One könnte theoretisch neben US-amerikanischen und russischen auch chinesische und japanische Signale empfangen – das zeigt zumindest die Test-App (siehe Bild oben).
Mehrere Systeme – zuverlässigere Ortung
Bis 2020 will auch die EU mit ihrem System Galileo die gesamte Welt abdecken. Für uns zivile Nutzer bedeutet das vor allem, dass die Genauigkeit der Ortung weiter steigen wird. Chip-Hersteller entwickeln bereits die für den Empfang für Galileo-Signale notwendige Technologie.
Die Nutzung verschiedener Satellitensysteme hat jedoch einen grossen Nachteil: Je mehr Satelliten am Himmel stehen, desto mehr Signale muss das Smartphone scannen und verrechnen. Zusätzliche globale Navigationssysteme benötigen also zusätzliche Rechenleistung und werden somit zur Belastung für die auch sonst eher schwachen Akkus der Endgeräte.
Profitieren von den Entwicklungen können wir vor allem dann, wenn wir uns zum Beispiel in den Ferien in New York verirren. In Häuserschluchten ist die Sicht der Satelliten auf das Gerät oft versperrt – doch mehrere Augen sehen bekanntlich auch mehr.
Dabei war ursprünglich gar nicht geplant, dass Touristen in Manhattan überhaupt Zugriff auf GPS-Satelliten erhalten. Erst als am 1. September 1983 eine Maschine von Korean Air auf dem Weg von Alaska nach Seoul wegen unzureichender Navigationsmöglichkeiten vom Kurs abkam und im russischen Luftraum abgeschossen wurde, beschloss die US-amerikanische Regierung unter Ronald Reagan, GPS für die zivile Nutzung freizugeben.
Jede Grossmacht ihr System?
Nicht zuletzt wegen der bisherigen Dominanz der US-Amerikaner wächst der Satellitenkäfig um die Erde weiter. Neben der EU und Russland schickt auch China Satelliten ins All. Seit 2011 ist Beidou-1 in Ostasien verfügbar, das globale System Beidou-2 soll bis 2020 in Betrieb genommen werden.
Neben den vier globalen Projekten arbeiten andere Nationen an regionalen Navigations-Satellitensystemen. Seit dem 28. März 2015 besteht das Indian Regional Navigation Satellite System (IRNSS) aus vier Satelliten. Insgesamt sieben sollen bis 2016 ihre Positionen im All erreicht haben. Japan will mit einem eigenen System das Signal in den Häuserschluchten der japanischen Grossstädte verstärken – ein Satellit ist in Betrieb, drei weitere sollen folgen.
Sind alle Satelliten irgendwann in ihrem Orbit, wird mein HTC One fast 150 Satelliten für seine Positinsbestimmung nutzen können – oder besser gesagt: sein Nachfolger. Denn neue Technologie im All verlangt nach neuer Technologie in der Hand.