Hat Tony Blair damals, 2003, mit gezinkten Karten gespielt, über angebliche Chemiewaffen im Irak die Unwahrheit gesagt? Der Entscheid war zumindest voreilig. Ein seit langem erwarteter Untersuchungsbericht bringt nun Licht ins Dunkel. Dies sind die Fakten zum «Chilcot-Bericht», der 2009 vom damaligen Premier Gordon Brown ins Rollen gebracht wurde:
- Wie lange ist der Bericht und wo kriegt man ihn?
Der Bericht ist sehr lang. Das ist die kurze Antwort auf die Frage. Es wird vermutet, dass er 2,6 Millionen Wörter enthält. Es gibt 12 Bände sowie eine Zusammenfassung. Die Arbeitsgruppe sichtete 150'000 Dokumente. Auf 7000 verliess sie sich für den Bericht. 1500 sollen online veröffentlicht werden.
Trauernde Familien bekommen eine ausgedruckte Version des Berichts. Zunächst hätten die Familien 800 Pfund für ein Exemplar bezahlen sollen – doch dies gab einen Aufschrei in der Öffentlichkeit. Jedermann kann auf einer eigens eingerichteten Webseite die Online-Ausgabe des Berichts lesen.
- Warum hat es mit der Fertigstellung so lange gedauert?
Eigentlich hätte der Bericht innert zwei Jahren fertiggestellt sein sollen. Jetzt hat es fast sieben Jahre gedauert – länger als die britischen Truppen überhaupt im Irak waren.
Der Grund ist, dass die Arbeitsgruppe den noch nie dagewesenen Umfang der Untersuchung unterschätzt hat. Und auch die Zeit, die es dauerte, die 150‘000 Dokumente zu studieren.
In den Jahren 2013 und 2014 gab es Verzögerungen, weil die britische Regierung den Email-Verkehr zwischen Tony Blair und George W. Bush nicht freigeben wollte. Zudem wollten viele Zeugen ihre Aussagen nicht publiziert sehen. Im Jahr 2012 erkrankte zudem ein Mitglied der Arbeitsgruppe, dieses starb 2015.
- Was ist der Sinn und Zweck des Berichts?
Der Bericht soll keinen Blick auf die Rechtmässigkeit der Handlungen von Personen werfen. Deshalb kann er auch nicht klären, ob die Invasion in Irak von 2003 legal war oder nicht.
Die Hinterbliebenen der 179 britischen Opfer des Krieges befürchten, dass der Bericht versuchen wird, die Verantwortlichen reinzuwaschen und er nicht die erhofften Antworten vermittelt.
- Welches sind die wichtigsten Zeugen?
Über 150 Personen lieferten Beweise für die Untersuchung und über 130 Zeugen wurden mündlich befragt. Es gilt als wahrscheinlich, dass Tony Blair selbst zwei Mal befragt wurde – in den Jahren 2010 und 2011. Auch der damalige Schatzkanzler Gordon Brown wurde befragt sowie der Aussenminister Jack Straw und der Verteidigungsminister Geoff Hoon.
Andere bekannte Zeugen waren der ehemalige UNO-Waffeninspektor Hans Blix, der ehemalige Armeechef General Sir Richard Dannatt und der Spionagechef Sir Richard Dearlove.
- Wer ist Sir John Chilcot?
Nach ihm ist der Bericht benannt. Er ist der Vorsitzende der Arbeitsgruppe. Chilcot wurde 1939 geboren und absolvierte eine Beamten-Karriere. Er war beispielsweise Staatssekretär im Nordirland-Büro während der letzten Jahre der Wirren. Zur Arbeitsgruppe zählen ausser Chilcot noch vier weitere Personen, von denen eine 2015 verstarb.
- Wie viel kostet der Bericht den Steuerzahler?
Der Chilcot-Bericht kostet rund 10 Millionen Pfund. John Chilcot erhielt 790 Pfund pro Tag (ca. 1000 Franken), die übrigen Mitglieder der Arbeitsgruppe kassierten 565 Pfund pro Tag.
- Wie geht es weiter?
Die Familien der Soldaten, die im Irak starben, hoffen, dass aufgrund des Berichts eine Strafverfolgung gegen die Verantwortlichen des Kriegs möglich ist.
179 britische Soldaten liessen von 2003 bis 2009 ihr Leben im Irak, Hundertausende Iraker starben im Krieg und in der folgenden Welle der Gewalt zwischen Sunniten und Schiiten. Die von den Amerikanern und Briten geführte Invasion zerstörte die prekäre Machtbalance in Bagdad. Ein UNO-Mandat für den Krieg gab es nicht.