1. Ein Premier auf dem Absprung
Das Vereinigte Königreich steht vor politisch unsicheren Zeiten. Der konservative Premierminister David Cameron, der die Abstimmung initiiert hatte, betonte zwar noch vor wenigen Tagen, er wolle auch bei einem Brexit nicht abtreten. Jetzt, kurz nach Bekanntgabe des offiziellen Resultates, ist das Makulatur. Im Oktober geht Cameron.
Das heisst auch: Wer die Scheidungsmodalitäten mit der EU aushandeln wird, ist unklar. Vermutlich ist es Boris Johnson. Er, einst ein enger Freund David Camerons und so etwas wie das sympathische Gesicht der «Leave»-Kampagne, hat gute Chancen, Cameron zu beerben.
2. Eine Wirtschaft vor dem Absturz
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Die zweite grosse Frage lautet: Wohin steuert die britische Wirtschaft? Brexit-Gegner warnten vor dem Verlust von hunderttausenden Jobs. Einen Vorgeschmack gab es bereits. Das britische Pfund stürzte am Freitagmorgen regelrecht ab – auf ein Niveau, das es seit Jahrzehnten nicht mehr gab. Die siegreichen EU-Gegner werden sich anstrengen müssen, damit aus dem Traum von der Unabhängigkeit kein jahrelanger Albtraum wird.
3. Was tun Schotten und Nordiren?
Raus aus der EU, obwohl man nicht will? Für Schotten und Nordiren ist genau das Realität geworden. Anders als England und – etwas überraschend – Wales haben sie für einen Verbleib in der EU gestimmt. In Schottland, wo man im Herbst 2014 nur knapp für einen Verbleib im UK stimmte, dürfte die Diskussion um eine Unabhängigkeit wieder an Fahrt gewinnen.
4. Ein «Europa à la carte» oder: Who’s next?
Als würde eine grosse Abrissbirne auf die EU zurasen: So drastisch umschrieb der EU-Korrespondent der BBC in Brüssel die Gefühlslage am Hauptsitz der Europäischen Union. Eine offizielle Stellungnahme gibt es noch nicht. Dafür viele Krisensitzungen.
Aus gutem Grund – denn EU-Gegner gibt es innerhalb der Union genug. Und die verspüren nun Aufwind. Ein Beispiel: Marine Le Pen, Chefin des rechsnationalen französischen Front National, jubilierte schon vor der Abstimmung, jetzt komme ein «Europa à la carte». Pessimisten sagen: Der 23. Juni 2016 ist der Anfang vom Ende der EU.
5. Der Franken, die Schweizer Wirtschaft und die MEI
Für die Schweiz ist der Brexit gleich mehrfach eine denkbar schlechte Nachricht. Der Franken, in unsicheren Zeiten schon immer Hafen für verstörte Anleger, wird mit grosser Wahrscheinlichkeit unter Druck geraten. Die Nationalbank wird viel Geld in die Hand nehmen müssen, um Gegensteuer zu geben, und möglicherweise auch an den Negativzinsen schrauben. Die Schweizer Exportwirtschaft, die sich eben wieder etwas aufgerappelt hatte, steht vor neuen Schwierigkeiten. Gleiches gilt für den Tourismus. Ein starker Franken ist da Gift. Und auch für die Umsetzung der Masseneinwanderungsinitiative bedeutet der Brexit nichts Gutes. Brüssel hat jetzt andere Probleme als die Schweiz.
6. Nur Verlierer? Nicht ganz...
Die Gewinner gibt es – Nigel Farage und Boris Johnson, natürlich. Und auch sonst alle, die die EU lieber heute als morgen weghaben möchten. Über diesen Kreis hinaus sind die Profiteure schon dünner gesät. Wladimir Putin zum Beispiel. Oder Donald Trump.
(Sendebezug: Sondersendungen zum Brexit bei SRF)