SRF News: Ist die Strategie von Premier Manuel Valls – alle gegen den Front National – aufgegangen?
Charles Liebherr: Das ist sie. In allen Regionen konnten die Bürgerlichen die Kandidatinnen und Kandidaten des Front National deutlich schlagen. Der Preis für diese Strategie ist allerdings sehr hoch. In zwei ehemaligen Hochburgen der Sozialisten wird es sechs Jahre lang nicht einen einzigen linken Parlamentarier mehr geben.
Ist es also ein klarer Sieg für die Bürgerlichen, «Les Républicains»?
Auf den ersten Blick schon. Sarkozys Partei gewinnt sieben von 13 Regionen, insbesondere die prestigeträchtige Grossregion Paris. Aber auch sie müssen die Lehre aus diesen Regionalwahlen ziehen: Die Rechte kann auch mit einer dezidiert rechten Politik, also den gleichen Themen wie der Front National, nicht gegen das «Original» bestehen. Das alleine reicht nicht.
Heisst das nicht trotz allem: Wenn die Linken und die Konservativen zusammenspannen, können sie den Front National in Schach halten?
Das war auch in früheren Wahlen immer der Fall. Es gilt aber auch, dass beide Parteien den Front National auch alleine durchaus schlagen könnten. Voraussetzung dafür ist ein politisch breit abgestütztes Programm. Das zeigt der zweite Wahlgang in Regionen, in denen die rechte und die linke jeweils alleine gegen den Front National angetreten sind. Hier gilt es für jedes Lager: Geschlossenheit, Allianzen mit verbündeten Parteien – dann ist ein Sieg möglich.
Was bedeutet der Wahlausgang für den Front National und Parteichefin Marine Le Pen – muss sie ihre Ambitionen aufs Elysée begraben?
Das wird sie natürlich nie tun. Das Problem des Front National ist, dass Allianzen mit anderen Parteien im rechten Lager fehlen. Thematisch politisiert der Front National zu eng. Es fehlt ein glaubwürdiges Programm ausserhalb der Kernthemen Einwanderung, Sicherheit und Europa, das eine Mehrheit der Bevölkerung überzeugen könnte. Das bedeutet, dass der Front National zwar immer noch erste Wahlgänge gewinnen kann. Im zweiten wird er aber nie mindestens die Hälfte der Bevölkerung auf seine Seite ziehen.
Das Gespräch führte Hans Ineichen.