SRF News: Was denken Sie über die Aussage der Grünen-Politikerin?
Wolfgang Bosbach: Claudia Roth hat den wesentlichen Sachverhalt unterschlagen. Nämlich, dass es sich offenbar zumindest weit überwiegend um junge Menschen aus Nordafrika oder dem arabischen Raum gehandelt hat, die weder integrationsfähig noch integrationswillig sind. Vielleicht auch beides. Die Verhaltensweisen können nicht unter «kulturelle Differenzen» abgebucht werden. Das ist organisierte Kriminalität – und die muss auch als solche bezeichnet werden.
Wenn es organisierte Kriminalität ist, dann sind es naheliegenderweise keine Flüchtlinge. Sehen Sie das auch so?
Ich kenne den Aufenthaltsstatus der Personen nicht. Es könnten auch Kinder von schutzsuchenden Personen sein, die schon vor vielen Jahren zu uns gekommen sind. Da es sich aber fast ausschliesslich um junge Männer aus Nordafrika oder dem arabischen Raum gehandelt hat, ist davon auszugehen, dass zumindest viele auf humanitärer Grundlage nach Deutschland gekommen sind, sei es selbstständig oder mit ihren Eltern. Das Entscheidende ist, dass sie offenbar nicht bereit sind, unsere Werte und Rechtsordnung so zu akzeptieren, wie das ganz selbstverständlich verlangt werden muss.
Können Sie beurteilen, ob es sich um Menschen handelt, die erst kürzlich nach Deutschland gekommen sind – oder sind sie schon seit Jahren da?
Dafür müssten wir die Täter erst einmal haben. Wie ich die Lage beurteile, werden wir – nach allen bisherigen Erfahrungen – in den nächsten Monaten resigniert feststellen, dass wir den Grossteil der Taten nicht aufklären können. Die allermeisten Täter werden in Deckung einer grossen Menschenmenge verschwunden sein. Wenn wir die Identität der Täter nicht kennen, wissen wir auch nicht, auf welcher Rechtsgrundlage sie nach Deutschland eingereist sind.
Wir haben Parallelgesellschaften in Deutschland. Mich wundert immer wieder, dass man davor die Augen verschliesst.
Das ist eine pessimistische Prognose. Sie sind Politiker: Was kann man tun, um solche Vorkommnisse zu vermeiden?
Es ja nicht das erste Mal, dass wir es mit einer Vielzahl auch schwerer Straftaten im Umfeld des Kölner Hauptbahnhofes und des Doms zu tun haben. Aber wenn sich 1000-1200 etwa gleichaltriger Personen an einer Stelle versammeln, passiert so etwas nicht spontan. Es war das organisierte Vorgehen einer grossen Menschenmenge; das gilt für Köln, aber auch Bielefeld, Stuttgart und Hamburg.
Wenn das Vorgehen abgesprochen war, dann heisst das: Es gibt Parallelgesellschaften in Deutschland. Wie stark ist das in Köln ausgeprägt? Von Berlin, wo kürzlich sechs Personen ermordet wurden, kennt man das ja schon.
Wir haben Parallelgesellschaften in Deutschland. Mich wundert immer wieder, dass man davor die Augen verschliesst. Der Vorfall in Berlin ist jedoch nicht typisch für das ganze Land, erst recht nicht für die Millionenstadt Köln. Aber in Berlin, in Duisburg-Marxloh, auch anderen Orten insbesondere in Grossstädten, haben sich Parallelgesellschaften etabliert. Mit sogenannten «Friedensrichtern» haben wir etwa in Teilen der Bundesrepublik Deutschland in bestimmten ethnischen Milieus eine Paralleljustiz.
Es darf keinen religiös oder ethnisch motivierten Rabatt geben.
Schon länger wurde vor jungen Männern aus anderen Kulturen mit ganz anderem Frauenbild gewarnt. Unabhängig davon, ob es in Köln tatsächlich so war: Was muss die Politik tun, um solche Szenarien zu verhindern?
Aus meiner Sicht ist das Entscheidende: Keine Toleranz an der falschen Stelle. Wer nach den Regeln der Scharia leben will, hat sich mit Deutschland oder auch der Schweiz das falsche Land ausgesucht. Das muss man diesen Menschen auch so sagen; es darf hier auch keinen religiös oder ethnisch motivierten Rabatt geben.
Ist Köln eine neue Dimension oder ein Einzelfall?
Köln ist ganz gewiss kein Einzelfall. Das zeigen auch die Parallelereignisse in Hamburg oder Stuttgart. Entscheidend wird sein, welche Konsequenzen wir aus diesen dramatischen Vorgängen ziehen.
Das Gespräch führte Peter Voegeli.