Die Medienmitteilung des UNHCR gleicht einem Hilferuf. Von Alarm und traurigem Rekord ist die Rede, von Verzweifelten und Toten. 90‘000 Menschen wollten allein im vergangenen Quartal per Boot nach Europa, vor allem Syrier und Eritreer, auch viele Nordafrikaner. Über 2000 von ihnen starben beim Versuch. Laut UNHCR ist das Risiko, sein Leben bei der Überfahrt zu verlieren, heute doppelt so gross wie im letzten Jahr.
Und was tut Europa? Das neue Projekt heisst Triton. Die Operation beginnt am heutigen Tag, läuft unter der EU-Grenzschutzagentur Frontex und kostet drei Millionen Euro pro Monat. Mehr Schiffe, Flugzeuge und Experten sollen die Grenzen sichern. Aber nicht nur, wie Frontex betont, man wolle auch in Seenot geratene Migranten retten.
Zuschauen statt retten
Retten werden die Triton-Leute allerdings nur noch jene Flüchtlinge, die unmittelbar rund um die italienische Küste in Seenot geraten. Nicht wie die Operation Mare Nostrum von den Italienern, die ein Gebiet weit in den Mittelmeerraum abdeckt. 150‘000 Menschen haben die Italiener so seit letztem Oktober gerettet. Pro Monat gaben die Italiener dafür neun Millionen Euro aus.
Ein Nachfolger für Mare Nostrum ist Triton nicht, zu unterschiedlich ist das Konzept. Die Italiener zögerten lange, wie und ob es mit Mare Nostrum weitergehen sollte. Am Donnerstag gab Innenminister Angelino Alfano dann im Parlament bekannt, dass Mare Nostrum auslaufen werde.
Mare Nostrum hat auch Kritik geerntet: Da Italiens Schiffe auch vor der Küste Libyens Leben retteten, pferchten manche Schlepper zur Maximierung ihrer Profite die Migranten in Schiffe, die für eine Fahrt bis nach Europa gar nicht seetauglich waren. «Mare Nostrum war als Nothilfe gedacht und hat sich als Brücke nach Europa erwiesen», sagte der deutsche Innenminister Thomas de Maizière.
Zäune bauen statt legale Wege schaffen
Die Frontex-Leute von Triton sollen vor allem eines – die Grenzen sichern, die Routen über das Mittelmeerraum für Flüchtlinge unattraktiv machen.
Das UNHCR kritisiert das. Die EU sei zu untätig, gebe zu wenig Geld aus, um Menschenleben zu retten. Das Hochkommissariat für Flüchtlinge vermisst einen legalen, sicheren Zugang für die Migranten, die nach Europa wollen. Die Landrouten über Griechenland und Bulgarien sind mittlerweile zu, geschützt durch meterhohe Zäune. Die Menschen seien dazu gezwungen, den Seeweg zu benutzen, ihr Leben in die Hände von Schmugglern zu geben, schreibt das UNHCR.
Wegschauen statt Lösungen suchen
Das Mittelmeer ist damit eine weitere tödliche Hürde auf dem langen Weg nach Europa. So schaffen oft nur die Stärksten den langen strapaziösen Weg. Die Stärksten, das sind junge Männer. Frauen, Kinder und Alte, die Schwächeren, bleiben auf der Strecke.
Ist die Abschottung der richtige Weg? «Die Flüchtlingspolitik ist eine Bankrotterklärung Europas», sagt Stefan Frey von der Schweizerischen Flüchtlingshilfe. Mit einem einheitlichen Konzept für Asylsuchende – einer fairen Verteilung auf die Länder etwa – wäre schon viel getan, so Frey. «Und langfristig müssen die Industriestaaten mithelfen, das Gefälle zwischen arm und reich zu verkleinern, und korrupte Regime zu sanktionieren, und nicht mehr mit ihnen zu geschäften.»