Das Unabhängigkeitsreferendum Kataloniens kratzt an der spanischen Verfassung – soweit sind sich die Experten einig. Auch in der Schweiz gab es in der Vergangenheit Begehren nach mehr Selbstbestimmung: etwa im Jura.
«Situation durchaus vergleichbar»
Die Galionsfigur der jurassischen Separatisten, Roland Béguelin, drohte gar mit dem Austritt aus der Schweiz, wenn dem Jura nicht mehr Rechte gegeben würden. «Insofern ist das durchaus vergleichbar, mit dem was wir heute in Katalonien sehen», sagt Wolf Linder, emeritierter Professor für Politikwissenschaft der Universität Bern.
Die Jurassier aber blieben Schweizer. Ihnen wurde anfangs der 70er-Jahre von Bern das Recht zugestanden, an der Urne über einen eigenen Kanton zu befinden – also über mehr Autonomie zu bestimmen. Die Selbstbestimmung entschärfte das politische Klima. 1977 gaben sich die Jurassier eine eigene Kantonsverfassung.
Es sei ein kleines Wunder gewesen, dass trotz der radikalen Forderung nach einer grossen Sezession schliesslich nur die Loslösung von Bern stattfand, sagt Wolf Linder.
Der Urnengang glättete die Wogen
Dass die Katalanen mehrheitlich unabhängig werden möchten, ist gemäss Umfragen gar nicht klar. Aber sie fordern mehr Autonomie, und zu Tausenden das Recht, über diese Fragen abstimmen zu dürfen: So wie damals im Jura, wo die Möglichkeit zum Urnengang die Wogen glättete. «Ich würde aber nie sagen: Ihr Katalanen müsst es jetzt so machen, wie wir es gemacht haben. Solche Dinge sind keine Exportprodukte.» Man könne aber im Gespräch auf die geschichtliche Erfahrung hinweisen, die die Schweiz gemacht habe, so Linder.
Auch wenn der Jura nicht Katalonien ist: Er war eine demokratische Bewährungsprobe für die Schweiz, genauso wie es Katalonien für Spanien ist.