Trotz eines internationalen Haftbefehls hatte sich Raoul Weil in Italien sicher gefühlt – zu sicher. Denn der Urlaub in einem Nobelhotel in Bologna endete für den 54 Jahre alten Top-Banker abrupt.
Die USA hatten ihn 2008 angeklagt und 2009 international zur Verhaftung ausgeschrieben. Laut den dortigen Behörden soll er US-Bürgern geholfen haben, Vermögen im Wert von 20 Milliarden Dollar vor dem Fiskus zu verstecken. Im Dezember letzten Jahres, zwei Monate nach der Festnahme in Italien, wurde er an die USA ausgeliefert.
Eine Karriere im ständigen Steigflug
Raoul Weil begann seine Karriere im Private-Banking des Schweizerischen Bankvereins (SBV). Von 2002 bis 2007 war er Chef der internationalen Vermögensverwaltung der UBS und damit der oberste Offshore-Banker der UBS – so sieht es laut der «Handelszeitung» zumindest Antoni Stankiewicz, ein ehemaliger führender Ex-UBS-Mitarbeiter.
Gemeinsam mit Marcel Rohner – damals Leiter der UBS-Vermögensverwaltung – und dessen Vorgänger im Amt, Georges Gagnebin, hätten sie das Geschäft mit dem Schwarzgeld aus den USA und den europäischen Kernländern vorangetrieben, so Stankiewicz.
2007 wechselte Weil als Chef der gesamten Vermögensverwaltung in die Konzernleitung. Er trat damit die Nachfolge von Rohner an und war nun oberster Private-Banker der UBS.
Den Empfehlungen der eigenen Manager, das US-Offshore-Geschäft abzustossen, folgte Weil zunächst nicht. Im Sommer 2007 will er dann den US-Exit beschlossen haben – kommunizierte ihn aber erst Monate später.
Zu spät, denn die US-Justiz hatte die Machenschaften der UBS schon lange im Visier. Im November 2008 wurde gegen Weil Anklage erhoben. Der musste daraufhin seinen Hut nehmen.
Will die US-Justiz nun alle Kundendaten?
Warum die USA Raoul Weil nun den Prozess machen, darüber darf spekuliert werden. Zum einen soll der Ex-UBS-Banker wohl für die Verfehlungen in seiner Zeit als oberster Vermögensverwalter büssen.
Zum anderen könnten sich die Amerikaner weitere Details erhoffen. Noch immer ist nicht bis ins Letzte geklärt, wie das Geld ins Ausland gebracht wurde und vor allem: Wo es sich heute befindet.
Zwar gibt es einen Deal zwischen den USA und der UBS – die Bank hatte sich 2009 für 913 Millionen Franken und durch die Lieferung von rund 4500 Kundennamen freigekauft – aber insgesamt soll die UBS das Vermögen von 17'000 Kunden betreut haben. Gut möglich, dass die USA nun alle Namen haben wollen.
«Auspacken» allein hilft Weil nicht
Weils Verhaftung und die Anklage gegen ihn scheinen vor allem für Letzteres zu sprechen. Denn die US-Justiz weiss angeblich über Weils Treiben sehr gut Bescheid. Ein Deal mit der Justiz und den Steuerbehörden würde wohl nur herausspringen, wenn Weil andere Top-Leute seiner Liga ans Messer liefern könnte.
Gegen diese These spricht: Die US-Justiz hat schon so viele Unterlagen über die UBS, dass ein «Auspacken» von Raoul Weil kaum noch wesentliche neue Erkenntnisse brächte. Die UBS rechnet laut eigenen Angaben deshalb nicht damit, dass ihr Fall neu aufgerollt wird.
Weil hat die Wahl: Plaudern oder Gefängnis
Daran kann der UBS auch gar nicht gelegen sein. Denn Details über das damalige Geschäftsgebaren lassen tief blicken. Präparierte Geheimlaptops, Agenten-Schulungen und Heerscharen von Treuhändern klingen mehr nach Thriller als nach seriösem Banking.
Laut der «Handelszeitung» trieb Weil das gleichermassen wirtschaftliche gefährliche wie juristisch fragwürdige Spiel auch dann noch weiter, als es Warnsignale gab und im Wissen darüber, «dass die Geschichte böse enden könnte.
Aus Sicht der US-Justiz trat Weil im US-Geschäft erst auf die Bremse, als das Stoppschild schon lange überrollt war. Den wirtschaftlichen Totalschaden konnte die UBS 2009 mit dem Deal abwenden.
Aber möglicherweise ist es auch nur so, dass einfach einer büssen muss – und das könnte Weil sein. Im schlimmsten Fall droht ihm eine fünfjährige Haftstrafe. Es sei denn, er plaudert.