Der Mann heisst Christian I., und wenn man Lea Wertheimer vom Staatssekretariat für Migration (SEM) zuhört, scheint er der Staatsfeind Nummer Eins zu sein: «Wir sprechen hier von Gräueltaten, Menschenrechtsverletzungen und Kriegsverbrechen, die begangen worden sind, und – das ist ein wichtiger Punkt – von einer Gefahr für die Schweiz.» Christian I. hat sich in Syrien der Terrormiliz IS angeschlossen. Deswegen ermittelt die Bundesanwaltschaft schon länger gegen ihn.
Jetzt tut der Bund noch mehr: Wegen seiner Verbrechen soll er die Schweizer Staatsbürgerschaft verlieren. Danach dürfte er wohl auch nicht mehr in die Schweiz einreisen. Im Moment weiss niemand, wo Christian I. ist. Deshalb schreiben die Behörden im Bundesblatt, dass sie ihm die Staatsbürgerschaft entziehen wollen – und dass er einen Monat Zeit habe, um sich dagegen zu wehren.
Hürden für Anwendung des Gesetzes sind hoch
Das Gesetz, das den Entzug der Staatsbürgerschaft erlaubt, gibt es schon seit 1953. Bloss hat man es noch nie angewendet. Kein Wunder, sagt Wertheimer vom SEM, denn die Hürden seien hoch. Man könne nur Doppelbürgern die Staatsbürgerschaft entziehen – und nur nach schlimmen Verbrechen. Beides zusammen komme selten vor. «In diesem Fall haben wir entschieden, dass die Sicherheit der Schweizer Bevölkerung höher zu gewichten ist.»
Christian I. hat neben dem Schweizer Pass auch die italienische Staatsbürgerschaft. Italien sei zwar nicht darüber informiert, dass er wohl bald «nur noch» Italiener sei, aber die italienische Polizei suche ihn ebenfalls. Der Mann kann deshalb laut Wertheimer nicht einfach unbehelligt ins Nachbarland reisen.
Wurde der Mann Opfer eines US-Luftangriffs?
So weit, so einleuchtend. Allerdings: Kriegsreporter Kurt Pelda kennt den Fall bestens, war eine Zeit lang mit Hilfe sozialer Medien in Kontakt mit dem 19-Jährigen aus Winterthur. Und Pelda sagt Erstaunliches: «Mir haben zwei IS-Leute erzählt, dass er bei einem US-Luftangriff in der Nähe von Kobane umgekommen ist.» Und dies bereits vor einem Jahr. Seither schreibt Christian I. nichts mehr auf den einschlägigen Plattformen im Internet und niemand hat mehr von ihm gehört.
Pelda vermutet deshalb, dass ihm der Bund die Staatsbürgerschaft nicht entziehen will, weil er besonders schwere Verbrechen begangen habe. Sondern weil dies ein einfacher Fall sei, mit dem sich billig ein politisches Zeichen setzen lasse. Zielperson: Ein Toter, dessen Eltern sich kaum bis vor Bundesgericht wehren werden.
Dem widerspricht Wertheimer vom SEM: «Wir können nichts zum Verbleib des Mannes sagen, da sind wir an den Datenschutz gebunden. Wir sind aber überzeugt davon, dass wir die Sicherheit der Schweiz schützen müssen, und das tun wir mit dieser Massnahme.» Noch haben die Behörden jedenfalls nichts von ihm gehört.