«Sepsis ist eine Krankheit, die jede und jeden betreffen kann. Eine Sepsis zu erkennen, ist nicht immer einfach. Erfahrungen aus anderen Gesundheitssystemen zeigen aber, dass systematische Schulung und systematische Abläufe mithelfen können, die Erkennung und Therapie zu verbessern», sagt Chefarzt Luregn Schlapbach, Leiter der Intensivstation am Universitäts-Kinderspital in Zürich.
Zusammen mit den Universitätsspitälern Bern und Lausanne soll nun in der Schweiz ein solches Sepsis-Programm für die nächsten Jahre entstehen. Lausanne ist das erste und laut Schlapbach das einzige Schweizer Spital, dass den Umgang mit einer Sepsis systematisch angeht. Denn 2016 kam es dort zu mehreren tödlichen Sepsis-Fällen. An diesen Erfahrungen sind Spitäler aus allen Landesteilen interessiert.
Die Eidgenössische Qualitätskommission unterstützt diese Bemühungen. Vize-Präsident Bernhard Güntert sagt zum administrativen Zusatzaufwand: «Im Alltag ist heute die administrative Belastung auf allen Stufen und in allen Settings schon so gross, dass eine zusätzliche Datenerhebung nicht umsetzbar ist. Wenn die Daten dann nicht oder nur in schlechter Qualität kommen, nützen sie auch nichts.»
Oft zeigt sich auf der Intensivstation, dass man früher hätte erkennen oder therapieren sollen.
Vielmehr sollen deshalb – wo immer möglich – Daten ausgewertet werden, die schon vorhanden sind. Ferner gelte es, aus den Erfahrungen zu lernen. Schlapbach macht ein Beispiel: «Was man leider immer wieder sieht: Wenn Patienten mit einer sehr schwer verlaufenden Sepsis auf die Intensivstation kommen, zeigt die Analyse oft, dass man früher hätte erkennen oder therapieren sollen.»
Entsprechend braucht es Schulung und Sensibilisierung von Gesundheits-Fachleuten, aber von der Bevölkerung, um den Moment zu erkennen, wann aus einer Infektion – bakteriell oder viral – ein lebensbedrohender Zustand wird. So liesse sich wohl ein Teil der Sepsen vermeiden, und es würde Leid und Kosten mindern.
Folgeprobleme bekannt – Nachsorge ungelöst
Denn viele, die eine Sepsis überleben, leiden an Folgeproblemen. Schlapbach zieht eine überraschende Parallele: «Was man zurzeit aus den Medien über Long-Covid hört, wissen wir seit zehn Jahren über die Sepsis. Ein Drittel bis die Hälfte der Sepsis-Überlebenden leiden an monatelangen oder gar jahrelangen Langzeitfolgen.»
Wir gehen davon aus, dass mindestens ein Teil der Sepsis-Patientinnen und -Patienten von Nachsorge-Strukturen profitieren würde.
Entsprechend endet die Behandlung einer Sepsis nicht mit der Entlassung im Spital. Vielmehr brauche es eine Nachsorge, eine Reha, so Programmleiter Schlapbach. Ähnlich wie nach einem schweren operativen Eingriff oder einem Hirnschlag: «Das weiss der Hausarzt, das weiss die Reha-Klinik oder der Spitalarzt, der den Entlassungsbrief schreibt. Bei der Sepsis ist das nicht so. Wir gehen aber davon aus, dass mindestens ein Teil der Sepsis-Patientinnen und -Patienten von ähnlichen Nachsorgestrukturen profitieren würde.»