- Der Nationalrat bleibt hart: Es soll keinen 70-Franken-Zuschlag zur AHV geben. Dies bleibt der grosse Streitpunkt zwischen den beiden Kammern.
- Auch bei den Witwen- und Kinderrenten hält die grosse Kammer an ihren Sparplänen fest.
- Lediglich beim Anteil der Bundesgelder an der AHV folgt der Nationalrat dem Ständerat und belässt diesen bei 19,55 Prozent. Die SVP hatte für eine Erhöhung auf 20 Prozent plädiert.
- Sollte die AHV defizitär werden, will der Nationalrat zudem, dass das Rentenalter automatisch erhöht wird – bis maximal auf 67 Jahre. Der Ständerat lehnt dies ab.
70 Franken mehr AHV-Rente im Monat? Das war der grosse Streitpunkt im Nationalrat. Nach stundenlanger Diskussion entschied sich der Nationalrat dagegen. Wenn auch äusserst knapp mit 103 zu 92 Stimmen.
Im Zentrum stand die Frage, wie die Rentenausfälle in der zweiten Säule ausgeglichen werden sollen. Diese entstehen durch die voraussichtliche Senkung des BVG-Umwandlungssatzes um 0,8 Prozent.
Tiefe Gräben zwischen beiden Kammern
SP, CVP und BDP, die im Ständerat die Mehrheit stellen, wollen einen Zuschlag von monatlich 70 Franken auf neue AHV-Renten gewähren. SVP, FDP und GLP, die im Nationalrat dominieren, suchen den Ausgleich innerhalb der zweiten Säule: Dazu wird der Koordinationsabzug abgeschafft. Das heisst, dass auf dem ganzen Lohn Pensionskassenbeiträge erhoben werden. Der Ständerat will den Koordinationsabzug leicht verändert beibehalten.
Für viele Bürgerliche handelt es sich bei den 70 Franken um eine rote Linie. Lieber wollen sie keine Reform als eine mit einem AHV-Zuschlag. Mit diesem «Giesskannenprinzip» würde nicht unterschieden werden, ob jemand das Geld brauche oder nicht, kritisierte Regine Sauter (FDP/ZH).
Auch die Grünliberalen erachteten das Modell als unfair. Damit würde ein konservatives Familienmodell gefördert, bei dem ein Ehepartner-Teil zu 100 Prozent arbeitet und der zweite Teil nicht arbeitet. Teilzeit-Arbeit würde benachteiligt.
Für die BDP sind die 70 Franken ein «Verkaufsargument» an die Bevölkerung: «Mit den 70 Franken hat die Vorlage eine kleine Chance, ohne 70 Franken hat sie gar keine Chance», sagte Lorenz Hess (BDP/BE). Sollte das Stimmvolk Nein zur Altersvorsorge 2020 sagen, wäre dies «die teuerste aller Lösungen, weil wir das Sozialwerk an die Wand fahren».
Streit um Bundesgelder beigelegt
Schon bei der Hinterlassenen- und Kinderrente folgte die Mehrheit – gegen die Ratslinke und Teile der CVP – den Vorschlägen ihrer Kommission: Witwenrenten für Frauen ohne Kinder sowie Kinderrenten für AHV-Bezüger sollen abgeschafft werden. Der Ständerat hatte für die Beibehaltung plädiert.
Der Nationalrat stritt auch darüber, wie hoch der Bundesbeitrag an die AHV sein soll. Die SVP wollte diesen um 270 Millionen Franken jährlich erhöhen und an anderer Stelle einsparen: «Wir sorgen damit dafür, dass künftig noch sorgfältiger mit dem Staatshaushalt umgegangen wird und unnötige Projekte nicht weiter verfolgt werden», sagte Fraktionssprecher Sebastian Frehner (SVP/BS).
Das Korsett ist äusserst eng, dann würden andere Bereiche unter dem Spardruck leiden.
Eine Erhöhung, gegen die sich Bundesrat Alain Berset wehrte: «Das Korsett ist äusserst eng, dann würden andere Bereiche unter dem Spardruck leiden.» Ein Argument, das überzeugte: Der Nationalrat folgte in diesem, einzigen Punkt dem Vorschlag des Ständerates und beliess den Beitrag des Bundes auf 19,55 Prozent.
Gleichzeitig blieb die grosse Kammer dabei, dass es lediglich 0,6 Prozent, kein ganzes Prozent Mehrwertsteuererhöhung geben soll, wie es der Ständerat will.
Angst vor Nein des Stimmvolks
Ein weiterer Streitpunkt bleibt bestehen: Die grosse Kammer will, dass das Rentenalter automatisch bis 67 Jahre erhöht werden kann – sofern die AHV defizitär ist. Die Warnung, dass das Stimmvolk die gesamte Reform deshalb bachab schicken könnte, überzeugte nicht. Der Nationalrat stimmte für diese automatische Erhöhung, nachdem sich der Ständerat dagegen ausgesprochen hatte.
Nach der heutigen und zwei weiteren Debatten im Parlament – am 7. März ist der Ständerat, am 13. März nochmals der Nationalrat an der Reihe – kommt am Donnerstag der dritten Sessionswoche voraussichtlich die Einigungskonferenz zum Zug. Dass CVP und SP dort die Mehrheit haben, spricht für den AHV-Zuschlag.
Die letzte Hürde ist allerdings das Volk. Wegen der für die Mehrwertsteuererhöhung nötigen Verfassungsänderung kommt die Vorlage ohnehin an die Urne. Letztmöglicher Abstimmungstermin ist der 24. September 2017. Wenn sich die beiden Räte in dieser Session nicht einigen, droht eine Finanzierungslücke.