Ehemalige Verdingkinder hatten sich lange nach diesem Tag gesehnt. Am 11. April war es endlich so weit. Simonetta Sommaruga entschuldigte sich im Namen der Landesregierung bei ehemaligen Verdingkindern und allen anderen Opfern von Zwangsmassnahmen. 700 Menschen lauschten in Bern den Worten der Justizministerin.
Zahlungen blieben bisher ausgeklammert. Nun fordern die ehemaligen Fremdplatzierten eine finanzielle Entschädigung für das ertragene Leid. An einem Runden Tisch sollen diese aber thematisiert werden, sagte Sommaruga bei dem Gedenkanlass.
Über den eigenen Schatten springen
Ehemalige Verdingkinder haben den Verein «netzwerk verdingt» gegründet. Dessen Mitglieder stört, dass auch Vertreter der katholischen Kirche am Tisch sitzen. Diese sei nicht bereit, die Geschichte aufzuarbeiten.
Der Historiker Marco Leuenberger teilt diese Ansicht nur bedingt: Obwohl auch Täterorganisationen mit am Tisch sässen, könne man einen Konsens finden. «Das hat auch der Entschuldigungsanlass gezeigt.» Es herrsche heute ein ganz andere Geisteshaltung vor, sagt Leuenberger. Damals hätten andere Menschen in einer ganz anderen Zeit die Entscheide gefällt.
Eine Frage des Geldes
Angenommen, die Teilnehmer des Runden Tisches einigen sich darauf, ehemalige Verdingkinder finanziell zu entschädigen: Wie viel Geld sollen sie dann erhalten? Der Historiker sagt: «Es ist schwierig, den genauen finanziellen Anspruch festzusetzen.» Rund die Hälfte der Kinder seien von den eigenen Eltern und ohne die Behörden fremdplatziert worden. Somit existieren kaum verlässliche Akten. Es sei unmöglich nachzuvollziehen, wer wann wo gewesen sei.
Leuenberger pocht darauf: Alle Wünsche und Forderungen müssten auf den Tisch. Doch viele ehemalige Fremdplatzierte sind bereits tot. Für sie kommen sowohl die Entschuldigung wie auch alle weiteren möglichen Massnahmen zu spät. Leuenberger sagt: «Man wird immer verspätet sein, wenn man solche geschichtlichen Phänomene aufarbeiten will.»