Im Ratssekretariat des Parlaments dürften sie am 5. und 6. Juni nicht schlecht gestaunt haben. Gleich neun Vorstösse reichten SP-Parlamentarierinnen und Parlamentarier an diesen beiden Tagen ein: allesamt zur Umweltpolitik, allesamt mit Kernthemen der Grünen.
Die grüne Woche der SP
Nationalrat Fabian Molina hat Fragen zum Lebenszyklus der Aale, Nationalrätin Silva Semadeni will mehr wissen zur Pestizidreduktion, Nadine Masshardt fordert in ihrem Vorstoss eine klimaneutrale Bundesverwaltung.
Der mediale Auftritt von SP-Präsident Christian Levrat fünf Tage später mit der Forderung nach einem ökologischen Marschallplan für die Schweiz mit jährlich zwölf Milliarden Franken für den Umweltschutz machte dann die grüne Woche der SP komplett.
Vier Monate vor der Wahl schärft die SP ihr grünes Profil. Zufall sei das natürlich nicht, sagt SP-Wahlkampfleiterin Masshardt. Die SP setze sich seit eh und je für Mensch und Umwelt ein. «Das gehört zu unserer Politik, das gehört zur DNA der SP-Politik», so die Berner Nationalrätin.
Grün ist total angesagt
In Zeiten, in denen öffentlich intensiv über den Klimawandel diskutiert wird wie noch nie und in denen und Wählerinnen und Wähler in Befragungen den Klimaschutz zu einer ihrer Hauptanliegen erklären, setzen die Parteien vermehrt auf grün.
So versuchte im Februar dieses Wahljahrs bereits die FDP-Leitung ihrer Partei ein ökologischeres Profil zu geben. Es folgten Verluste bei den kantonalen Wahlen in Luzern und in Zürich und innerparteiliche Spannungen wegen des neuen Grünanstrichs.
Diese Gefahr bestehe für die SP nicht, wenn sie jetzt die Ampel auf Grün stellt, meint der Leiter der Forschungsstelle Sotomo, Michael Hermann. Diese Wahlkampfstrategie sei sogar geradezu zwingend für die SP, weil ihre Basis das Klimathema derzeit als das wichtigste befinde.
SP setzte schon immer auf die Umwelt
«Deshalb muss die SP darauf eine Antwort haben.» Und die Sozialdemokraten könnten durchaus glaubwürdig eine Antwort darauf geben. Schliesslich habe die Schweizer SP im Vergleich zu anderen sozialdemokratischen Parteien in Europa schon immer auf dieses Thema gesetzt.
Ein weiterer wesentlicher Grund für die neue starke Gewichtung der Klimathemen dürfte auch die Verschiebung in der deutschen Parteienlandschaft sein. Dort haben die Genossen innerhalb von eineinhalb Jahren 1.2 Millionen Wählerinnen und Wähler an die Grünen verloren.
Die deutsche SPD setzt sich noch heute für den Erhalt der umweltbelastenden Kohlegruben im Land ein, um ihre Klientel der Arbeiterschaft zu bedienen. Sie verliert dabei aber all jene traditionellen Wähler, welche der Klimapolitik heute mehr Bedeutung zumessen.
Hoffnungsvolle Freude bei den Grünen
Entspannt nimmt die Präsidentin der Schweizer Grünen, Regula Rytz, das «Grünerwerden» der Schweizer Genossen zur Kenntnis. Die Grünen dürften bei der Wahl im Herbst – Stand jetzt– am stärksten zulegen.
Die Grünen hätten die Umweltpolitik in dieser Legislatur stark vorangebracht, so Rytz. «Das wissen die Menschen. Wenn die anderen Parteien mithelfen, werden wir zukünftig im Parlament noch schneller vorwärtskommen in Sachen Klima und Artenschutz.»
Grün ist Trumpf im Wahljahr. Und vieles deutet darauf hin, dass es im Herbst im Bundeshaus noch ein bisschen grüner wird.