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Star-Fotografin Anne Leibovitz fotografiert Schauspieler Russel Brand für Magazine wie «Vanity Fair», «People» oder «GQ».
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Lifestyle-Zeitschriften - wie sie funktionieren und welche man kennen muss

1985 schien die Welt der Modeheftli noch jungfräulich und unschuldig: Es gab etwa einen Zehntel der Titel, die heute am Kiosk liegen, und damit hatten diese Blätter auch mehr Budget und Aufmerksamkeit.

Ein neues Buch des Schweizer Art Directors Beda Achermann erinnert sich gerade an die goldene Zeit der deutschen Männer-Vogue, als dieser dort die Sau rausliess. Grossartig waren damals auch «Tempo» und «Der Wiener», oder «The Face» aus England und «Vanity» aus Mailand. Die beiden letztgenannten sind längst vom Markt verschwunden. Dafür sind tonnenweise andere Titel dazu gestossen.

Aufmerksamkeit um jeden Preis

Lifestyle ist in den letzten 25 Jahren zum entscheidenden Treiber für den Privat-Konsum geworden. In den Achtzigerjahren wuchs das Angebot an Mode und Accessoires kräftig, in den Neunzigerjahren explodierte es förmlich, und heute haben wir ein mehrfaches Überangebot von Mode - mehr, als wir je tragen können. Auch wenn wir uns mehrfach am Tag umziehen würden. Entsprechend gross ist der Informations- und Einordnungs-Bedarf zu diesem Thema. Und natürlich gibt es in einem übersättigten Markt für die Verlage Anzeigen zu holen, weil die Marken über die Magazine ja Aufmerksamkeit suchen.

Gerade im September sind die Heftli immer besonders dick, in «The September Issue» wird bei den Modemagazinen die alles entscheidende Schlacht um die Gunst der Anzeigen geschlagen. Weil diese die erste Publikation zur neuen Saison ist, und dies nach einer Sommerpause, die bei vielen Heften sogar zwei Monate dauert. Im September wird erstmals die neue Herbstmode ausgebreitet, und deshalb wollen in der Septemberausgabe alle drin sein - im redaktionellen Teil sowieso, und die, die es sich leisten können, auch mit Anzeigen.

Die Rache der Verleger

Bei etlichen Lifestyle-Magazinen ist es heute allerdings immer schwieriger, zwischen Werbung und redaktionellem Inhalt  zu unterscheiden. In drei Viertel der Lifestyle-Magazine ist für den mündigen Leser schnell durchschaubar: Wer Anzeigen schaltet, darf auch mit redaktioneller Aufmerksamkeit rechnen. Die grössten Player auf dem Gebiet der Lifestyle-Heftli betreiben diesen Tausch von Werbung gegen Aufmerksamkeit systematisch, und teilweise so exzessiv, dass die Glaubwürdigkeit leidet. Das Thema ist allerdings ein Tabu des Metiers, wer darüber spricht, muss mit der Rache der Verleger rechnen.

Den grossen Verlagen und ihren Publikationen, die eng im Beziehussgsnetz der Anzeigen und den damit verbundenen Abhängigkeiten verstrickt sind, muss man heute also ein Stück weit misstrauen. Oft sind diese Blätter auch einfach nur zum Gähnen langweilig - alles ist, aus erwähnten Gründen, etwa gleich toll und wichtig. Es sind ganz wenige Titel, die sich redaktionelle Freiräume bewahren, etwa die französische Vogue, die noch immer die Messlatte unter ihresgleichen ist. Von den internationalen Varianten der Elle ist die englische die wagemutigste. Unverzichtbar ist auch die englische i-D.

Mehr Style, weniger Silikonbrüste

Die besten Zeitgeist-Gazetten kommen heute von innovativen Kleinverlagen und erscheinen nur quartalsweise oder halbjährlich. Zu den wichtigsten Titeln gehören derzeit sicher «Gentlewoman» aus Holland, «I Love You» und «Achtung» aus Berlin, «Love und Pop» aus England, «Purple Magazine» und «Numéro» aus Paris oder «Visionaire» und «T-Magazine» aus New York.

Die internationale Messlatte für Männermagazine ist sicher «Fantastic Man» aus Amsterdam, aber auch «Port» aus London und «Inventory» aus den USA machen tolle Sachen - ohne den klischierten Salat aus Bikinimädchen mit Silikonbrüsten und PS-starken Sportwagen.

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