SRF und das Zurich Film Festival fördern Autorinnen und Autoren. Bereits zum siebten Mal vergeben sie am 5. Oktober den Treatment Award. Dieses Jahr ist «Die Herbstzeitlosen»-Star Heidi Maria Glössner die Jurypräsidentin.
SRF: Das Thema des Treatment Award ist «Sprungbrett - Zeit für Veränderung». Was hat Ihr Leben verändert?
Heidi Maria Glössner: Ich wollte schon immer Schauspielerin werden. Mit viereinhalb spielte ich im Kindergarten mein erstes Theaterstück. Seither wusste ich, dass ich Schauspielerin werden will. Andere Biografien hautnah zu erleben, sich in sie hineinzudenken, sich zu verändern, das war von Anfang mein oberstes Ziel, meine grösste Freude. Das mache ich nun seit über 50 Jahren professionell.
Für welche Rolle mussten Sie sich am meisten verändern?
Das war vor allem im Theater. Im Film wird man als Typ besetzt. Ich glaube, nur Meryl Streep darf völlig unterschiedliche Frauenfiguren spielen. Im Theater erkennt man die Schauspielerin oder den Schauspieler von einer Rolle zur nächsten teils nicht wieder.
Wenn ich eine schwarze Perücke aufsetze, erkennen mich die besten Freunde nicht mehr. Im Theater darf man sich viel mehr verändern. Das war für mich das Faszinosum von klein auf: mich zu verändern.
Sie sind 75. Hat das Alter etwas für Sie verändert?
Natürlich. Man verändert sich körperlich und muss lernen, das zu akzeptieren. Dass man Falten hat, dass man wabbelige Arme bekommt. Ich habe das Glück, gesund zu sein. Dafür bin ich sehr dankbar. Aber man muss akzeptieren, dass alles endlich ist. Freunde und Freundinnen sterben, die zum Teil jünger sind. Plötzlich ist man zuvorderst in der Reihe. Das gibt einem zu denken. Früher überlegte ich mir das weniger.
Sie stehen mit 75 immer noch auf der Bühne. Aufhören ist keine Option?
Ich glaube, dann wäre mir langweilig. Dieses Jahr bin ich total ausgebucht mit Engagements. Ich sage zwar immer: «Ich mache nun etwas weniger.» Aber wenn ich halt schöne Angebote bekomme, überwiegt die Lust, sich noch mehr zu verändern.
Was zeichnet in Ihren Augen ein gutes Drehbuch aus?
Es muss uns von Anfang hineinziehen. Wie bei «Die Herbstzeitlosen». Mir sagte mal ein Regisseur, wenn ihn ein Film in den ersten 20 Minuten nicht packe, verlasse er das Kino. So etwas merkt man schon beim Lesen eines Drehbuchs. Mein Interesse wird geweckt, wenn ein Stoff leidenschaftlich erzählt ist.
«Die Herbstzeitlosen» kam spät in Ihrem Leben. Hat das nochmal etwas verändert?
Weil ihn 638’000 Kinobesucher und nachher noch 1,4 Millionen TV-Zuschauer gesehen haben, wurde ich nachher auf der Strasse erkannt. Bis heute werde ich auf diesen Film angesprochen. Insofern hat das viel in meinem Leben verändert.
Was nehmen Sie sich als Jurypräsidentin beim Treatment Award vor?
Ich weiss nicht, was auf mich zukommt. Deshalb kann ich mir gar nichts vornehmen. Ich warte gespannt auf die Texte und freue mich darauf, sie zu lesen. Ich mache mich ganz leer und lasse mich überraschen.