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Visual Effects – der (Alb-)Traum vom kreativen Job
Aus Rendez-vous vom 07.08.2024. Bild: Imago
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(K)ein kreativer Traumjob? Die Visual-Effects-Branche: Im Würgegriff der grossen Filmstudios

Einen Dinosaurier erschaffen oder eine störende Hochspannungsleitung im Historienfilm retuschieren: Arbeiten in der Visual-Effects-Branche ist wie ein Sechser im Lotto – könnte man meinen. Doch: Die Arbeitsbedingungen in der Branche sind oft zum Heulen. Was haben Disney und Co. damit zu tun?

In den letzten Jahren haben sich die grossen Filmstudios zusammengeschlossen. Heute gibt es insgesamt nur noch fünf. Effekt-Studios aber gibt es weltweit etwa 1500. Es gibt also 300 Mal mehr Anbieter der Dienstleistung «Visual Effects» (VFX) als es grosse Abnehmer gibt. Ein Grund für die Misere, der sich viele der Studios ausgesetzt sehen.

Es sei offensichtlich, wer das Sagen habe, erklärt Espen Nordahl, Leiter der Abteilung visuelle Effekte der norwegischen Storm Studios. Er findet es schade, dass der Einfluss der verbliebenen grossen Filmstudios so gross sei, dass sie die Bedingungen diktieren und die Effekt-Firmen immer mehr auspressen könnten. Oft herrsche deshalb eine «Friss-oder-stirb-Situation».

Disney: Eine knallharte Maus

Als besonders skrupellos in diesem Spiel gilt Walt Disney. Der Filmgigant übernahm vor bald fünf Jahren die Marvel-Studios. Deren Filme setzen besonders viele digitale Effekte ein, etwa bei «Spiderman», «Guardians of the Galaxy» oder «Doctor Strange». Insider schätzen deshalb, dass Disney für gut die Hälfte aller Visual Effects-Aufträge verantwortlich ist.

Spiderman sitzt auf einer Leiter vor einem Gebäude aus Backstein.
Legende: Macht ohne VFX keine grossen Sprünge: Spiderman. Imago/Future Image

Das mache das Studio attraktiv bei den Effekt-Firmen: Alle wollten mit Disney zusammenarbeiten, sodass schlussendlich nur noch ein einziger Kunde vielen Anbietern gegenübersteht, die diesem ihre Arbeit verkaufen wollen. Man spricht in dieser Situation von einem Monopson.

Nicht nur die Studio-Giganten sind schuld

Auch deshalb seien die Arbeitsbedingungen in vielen Effekt-Firmen wirklich hart, sagt Espen Nordahl. Aber: Man könne die Schuld nicht nur den Filmstudios geben.

Es hänge auch davon ab, wie eine Effekt-Firma gemanagt würde und sie ihre Offerten gestalte. Wenn beispielsweise Disney einen Grossauftrag ausschreibe, würden sich viele Firmen gegenseitig unterbieten und kalkulierten derart knapp, dass sie am Auftrag kaum mehr etwas verdienten.

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Für Visual Effects sieht es nicht gut aus
01:07:28 min Bild: imago images
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Die Gewinnmargen liegen dann oft im einstelligen Bereich. Und es bleibt lediglich die Hoffnung, auch in Zukunft wieder einen Auftrag zu erhalten von einem der fünf Grosskunden – die wiederum nützen die Situation ihrer Effekt-Dienstleister oft gnadenlos aus.

Nordahl kann es sich mit seinen Storm Studios leisten, nicht im vernichtenden Preisdumping mitzumachen. Und seine Mitarbeitenden kennen auch keine 80-Stunden-Wochen – norwegischem Arbeitsrecht sei Dank.

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Was hat der «Cry Room» mit der Visual Effects-Branche zu tun?
03:56 min Bild: Imago
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Fürs Heulen ab in den «Cry Room»

Bei einigen VFX-Studios gebe es daher sogenannte «Cry Rooms»: Spezielle Räume, in denen sich Angestellte zurückziehen und ausheulen können. Etwa, wenn sie wieder einmal unbezahlte Überstunden leisten müssen in den Tagen – oder nur wenige Stunden – vor einer Filmpremiere.

Möglich wird diese Kurzfristigkeit dank der digitalen Distribution der Filme an die Kinos.

Silberner Charakter auf Surfbrett in luftiger Landschaft.
Legende: Filmstudios können bis kurz vor Filmstart bis aufs letzte Pixel genau diktieren, wie ein Effekt auszusehen hat. Im Branchen-Jargon nennt sich das «Pixel-Fucking». Imago / Ronald Grant

Überstunden adé – dank KI?

Das nächste Ungemach droht schon jetzt. Denn als ob Studio-Konzentration und Überstunden nicht schon genügten, sind in der erste KI-Anwendungen in der Branche am Start. Noch sind diese nur eine Krücke, Plugins, die die Möglichkeiten einer Software erweitern.

Künstliche Intelligenz wird aber immer mehr Arbeiten im Visual Effects Bereich übernehmen können, sodass die grossen Filmstudios immer mehr auf die Effekt-Firmen verzichten können.

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