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Die Eltern des Filmemachers lesen den «Bund».
Legende: Dieter Fahrers Doku ist auch eine Liebeserklärung: Seine Eltern lasen immer den «Bund». Fair & Ugly Filmverleih GmbH

Im Wettbewerb in Solothurn Eine Liebeserklärung an die Zeitung der Eltern

In seinem Dokfilm «Die vierte Gewalt» erforscht der Berner Filmemacher Dieter Fahrer den Medienwandel – auf den Redaktionen von «Der Bund», «Echo der Zeit», «Watson» und der «Republik». Er blickt wehmütig auf den klassischen Journalismus – und fasziniert in die Zukunft.

Natürlich sind wir Journalisten die ersten, die sich für einen Film über Journalisten interessieren. Und wenn der Berner Dokumentarfilmer Dieter Fahrer über die sogenannte vierte Gewalt im Staat nachdenkt, wissen wir auch, wo seine Sympathien liegen.

Und Dieter Fahrer weiss, dass wir das wissen. Darum deklariert er seinen Film «Die vierte Gewalt» von Anfang an als subjektive Bestandesaufnahme zum Medienwandel in der Schweiz.

Bildvergleich

Regler nach links verschiebenRegler nach rechts verschieben
Legende:So sieht es aus, wenn Journalisten arbeiten: beim Bund und bei Watson.Fair & Ugly Filmverleih GmbH

Der Film eröffnet wie bei Spielberg

Der Film eröffnet mit der klassischen Sequenz, in der frisch gedruckte Zeitungen in eindrücklicher Reihung die Druck- und Faltmaschinen verlassen. Fein säuberlich hängt da «Der Bund» tausendfach am Transportsystem wie Skifahrer am Lift.

Das Bild hat Nostalgiewert. Steven Spielberg geniesst den gleichen Kamerablick auf die frisch gedruckten Ausgaben der «Washington Post» in seinem aktuellen Loblied auf den investigativen Journalismus: «The Post» mit Tom Hanks und Meryl Streep.

Rafaele Roth arbeitet für Watson.
Legende: Jede und jeder wirkt im Film engagiert: Rafaela Roth arbeitete damals für Watson. Fair & Ugly Filmverleih GmbH

Nur ein kurzer nostalgischer Blick

Aber bei Dieter Fahrer folgt gleich auf die Erinnerungen auch die Ernüchterung. Zu Dia-Aufnahmen der leergeräumten elterlichen Wohnung erzählt der Filmemacher, dass «Der Bund» immer auf dem Stubentisch gelegen habe. Die Zeitung war das Fenster zur Welt.

Die Familie, welche die Wohnung nun übernimmt, nach dem Umzug der Eltern in eine Alterswohnung, hat keine Zeitung abonniert. Fahrer hat nachgefragt.

Vier Medienhäuser, ein grosser Wandel

So macht Fahrer sich auf, dem Medienwandel nachzuspüren. Beim «Bund» fängt er an, beim klassischen Modell der gedruckten Abonnementszeitung. Beim «Echo der Zeit» von Radio SRF blickt er Moderator Samuel Wyss und den Kolleginnen über die Schulter. Und bei den gruppenfinanzierten Selbsthilferebellen der «Republik» begleitet er die hoffnungsvolle Zeit vor dem Launch.

Ein Journalist spricht mit einem Interviewgast.
Legende: Dank Crowdfunding die Neuen in der Schweizer Medienlandschaft: die «Republik». Fair & Ugly Filmverleih GmbH

Am fasziniertesten zeigt sich «Die vierte Gewalt» aber ganz klar vom Online-Magazin «Watson», von der möglichen Zukunft der Medien, wie sie sich in der Gegenwart zeigt. Watson-Kollegin Simone Meier ist entsprechend hingerissen von Fahrers Film: «Der Star, liebe andere Medien, ist klar»., Link öffnet in einem neuen Fensterim Browser öffnen

Doch «Die vierte Gewalt» ist auch eine filmische Liebeserklärung an den «Bund». Die dortigen Kollegen sind darüber aber nicht nur glücklich: «Dummerweise fühlt sich Fahrers Liebeserklärung […] an wie ein Adieu.», Link öffnet in einem neuen Fensterim Browser öffnen

Die Watson-Redaktion.
Legende: Spezialisten im Kuratieren von Katzenbildern: die Watson-Redaktion. Fair & Ugly Filmverleih GmbH

Inszenierte Parallelen

Recht haben sie beide. Filme brauchen eine Dramaturgie, eine Bewegungsdynamik. Um die gewählte Dynamik macht Dieter Fahrer kein Geheimnis. Wenn er den Umzug der Eltern in die Alterswohnung parallel setzt zum erzwungenen Schrumpfungsprozess beim Tamedia-Titel «Der Bund», dann macht er das nicht nur implizit.

Das Bild der leergeräumten Wohnung wird gegen Ende des Films wiederholt und auf eine Einstellung bezogen, die einen leergeräumten Büroraum beim «Bund» zeigt. Dieser hätte aus Spargründen weitervermietet werden sollen. Vergeblich, wie erwähnt wird. Die Bund-Kolleginnen arbeiten neben den leergeräumten Quadratmetern auf engerem Raum weiter.

Zwei Mitarbeiter räumen ein Büro.
Legende: Beim «Bund» wird abgezügelt – um Raumkosten zu sparen. Fair & Ugly Filmverleih GmbH

Wenn Dieter Fahrer darauf verweist, dass er ausgerechnet auf dem Wusel-, Wimmel- und Klicksammel-Portal von «Watson» die zen-artige Faszination einer Streetcam entdeckt habe, dann spricht das auch für seine Bemühungen, sich ernsthaft mit diesem neuen Medienmix auseinanderzusetzen.

Lieber nah dran als objektiv

«Die vierte Gewalt» ist ein unterhaltsames Lehrstück, eine Bestandesaufnahme und einer jener klassischen, empathiegetriebenen Dokumentarfilme, die lieber ihre Subjektivität betonen, als eine Objektivität zu simulieren.

Das wird zusätzlich unterstrichen dadurch, dass Fahrer die gefilmten und befragen Journalistinnen und Journalisten auch sehr direkt zu ihrer Haltung befragt.

 Constantin Seibt.
Legende: Ein Setting nach alter Schule: Constantin Seibt, Mitgründer der Republik. Fair & Ugly Filmverleih GmbH

Meinung oder Moderation

Da steht dann Rafaela Roth – sie hat unterdessen von «Watson» zum «Tages-Anzeiger» gewechselt – die als empathiegetriebene Reporterin zum Beispiel Flüchtlingsschicksale nachvollziehbar machen will, neben einer jungen Kollegin, die findet, das Kuratieren von Katzenbildern und Menstruationsvideos sei durchaus auch eine journalistische Leistung.

Ein weiterer Kontrast dazu: Samuel Wyss’ Behauptung, er lasse die News emotional nicht an sich heran, wenn er als Echo-Moderator arbeite. Schliesslich sei er in dieser Funktion kein Meinungsjournalist.

Samuel Wyss moderiert das Echo der Zeit.
Legende: Grenzt sich bewusst ab: Samuel Wyss moderiert das Echo der Zeit. Fair & Ugly Filmverleih GmbH

Das Engagement ist zu spüren

Das Schöne an Dieter Fahrers Film ist nicht zuletzt, dass man ihnen allen diese jeweilige persönliche Haltung abnimmt – und zugleich das Engagement spürt, jenes des Filmemachers genau so wie jenes seiner Protagonistinnen.

So ist der Film nicht nur eine unvollständige, aber exemplarische Bestandesaufnahme der Deutschschweizer Medienlandschaft und eine wehmütige Liebeserklärung an den «Bund». Sondern auch und vor allem ein Plädoyer für den klassischen Journalismus jenseits von Meinungsmedien und Marktopportunismus.

  • Premiere: 27. Januar 2018 um 18 Uhr an den Solothurner Filmtagen
  • Kinostart: 8. Februar 2018

Sendung: Radio SRF 2 Kultur, Kontext, 1. Februar 2018, 9.02 Uhr

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