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Absage der Verleihung des LiBeraturpreises 2023
Aus Kultur-Aktualität vom 13.10.2023. Bild: Litprom © Hartwig Klappert
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Buchauszeichnung abgesagt Roman von Adania Shibli – antisemitisch oder preiswürdig?

Eine Auszeichnung der Palästinenserin auf der Frankfurter Buchmesse wurde kurzfristig abgesagt. Das steckt dahinter.

Wie kam es zur Veranstaltungsabsage? Eigentlich sollte die Autorin Adana Shibli am 20. Oktober den «LiBeraturpreis» des Vereins Litprom erhalten, eine Auszeichnung für Autorinnen aus dem Globalen Süden. Die Verleihung sollte auf der Frankfurter Buchmesse stattfinden. Nach dem Hamas-Angriff auf Israel wurde die Veranstaltung jedoch abgesagt. Juergen Boos, Direktor der Buchmesse, erklärte gegenüber der DPA, dass der Veranstalter Litprom nun nach einem geeigneten Zeitpunkt für die Preisverleihung sucht, der nach der Buchmesse liegt. Die Absage hat inzwischen jedoch ein Politikum entfacht.

Warum steht die Autorin in der Kritik? Ihr Roman «Eine Nebensache» wurde von der Kritik hoch gelobt, stand wegen angeblich antisemitischer Klischees aber schon länger in der Kritik. Im Roman seien alle Israelis anonyme Vergewaltiger und Killer, die Palästinenser hingegen Opfer von schiesswütigen Besatzern, schreibt die TAZ. Auch wenn der Text einen einfühlsamen Grundton habe und von einem Perspektivenwechsel lebe, würde er Stereotype reproduzieren.

Mann mit weissen Haaren im Anzug steht vor einem Fenster mit Ausblick auf Skyline.
Legende: Juergen Boos, Direktor der Frankfurter Buchmesse, sagt: «Der Konflikt Israel-Palästina wird an der Buchmesse eine grosse Rolle spielen.» Es wird Veranstaltungen, Lesungen und Diskussionen geben. KEYSTONE / DPA / SEBASTIAN GOLLNOW

Wovon handelt der umstrittene Roman? Das Buch spielt im Jahr 1949. Der erste Teil erzählt vom Missbrauch und der Ermordung eines palästinensischen Beduinenmädchens durch israelische Soldaten – aus der Perspektive eines israelischen Kommandeurs. Der Vorfall ist dokumentiert und wurde Jahrzehnte später von israelischen Journalisten aufgedeckt. Im zweiten Teil versucht eine junge Frau aus Ramallah viele Jahre später, mehr über den Vorfall herauszufinden und versetzt sich in die Perspektive des ermordeten Mädchens.

Wer ist Adania Shibli? Die palästinensische Autorin schreibt Romane, Theaterstücke, Kurzgeschichten und Essays. Sie ist momentan Writer-in-Residence im Literaturhaus Zürich. «Eine Nebensache» ist ihre erste Buchveröffentlichung auf Deutsch, die englische Übersetzung war für den National Book Award (2020) sowie für den International Booker Prize (2021) nominiert.

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Adania Shibli: Schreiben als Freiheitsgefühl
aus Künste im Gespräch vom 25.11.2021. Bild: ZVG
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Was ist der «LiBeraturpreis»? Der auf rund 3’000 Franken dotierte Preis wird vom Verein Litprom vergeben. Ein Mitglied der Jury, WDR-Journalist Ulrich Noller, trat bereits im Sommer aus Protest von dem Gremium zurück. Der Rest der Jury bleibt bei seiner offiziellen Begründung für die Prämierung: Adania Shibli entwerfe in ihrem Roman präzise und behutsam ein sprachlich streng durchkomponiertes Kunstwerk, das von der Wirkmacht von Grenzen erzähle und davon, was gewalttätige Konflikte mit und aus Menschen machen.

Messehalle rotem Teppich, hohen Regalen, in denen Bücher präsentiert werden und viele Gäste, die sich umsehen
Legende: Die Frankfurter Buchmesse startet am 18. Oktober 2023. Wie hier im Foto von 2022, wird auch dieses Jahr ein grosser Besucheransturm erwartet. IMAGO Images / STAR-MEDIA

Was ist die Haltung der Frankfurter Buchmesse? Buchmessen-Direktor Juergen Boos sagte der DPA: «Die Preisträgerin wird von einer unabhängigen Jury ausgewählt. Litprom ist der durchführende Veranstalter und vollständig für die inhaltliche Ausrichtung der Preisvergabe verantwortlich.» Die Ereignisse im Nahen Osten widersprächen allen Werten der Frankfurter Buchmesse. «Wir verurteilen den barbarischen Terror der Hamas gegen Israel aufs Schärfste», kommentierte Boos.

Passt die Buchmesse jetzt ihr Programm an? Die Buchmesse wolle infolge der aktuellen Ereignisse jüdische und israelische Stimmen besonders sichtbar machen, so Direktor Boos. Man habe sich entschlossen, zusätzliche Bühnenmomente für israelische Stimmen wie die der Autorin und Friedensaktivistin Lizzie Doron zu schaffen. Aufgrund der Reisebeschränkungen mussten aber auch Veranstaltungen abgesagt werden.

Radio SRF2 Kultur, Kultur Aktualität, 13.10.2023, 17:30 Uhr ; 

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