Die Österreicherin Marlene Engelhorn, Erbin eines grossen Vermögens aus der BASF-Chemie-Dynastie, setzt sich mit der Organisation «taxmenow» dafür ein, dass Vermögende stärker besteuert werden. Ausserdem will sie auf einen Grossteil ihres eigenen Geldes verzichten, um Ungleichheiten in der Gesellschaft abzubauen und Benachteiligten mehr Chancen zu geben.
Ein repräsentativer «Guter Rat für Umverteilung» hat nun 25 Millionen Euro der Erbin an 77 Institutionen verteilt. Diese breite Verteilung wurde bei der Pressekonferenz in Wien und in den Medien als «Giesskannenprinzip» kritisiert.
Raphael Zehnder sprach mit Takashi Sugimoto, Co-Redaktionsleiter des Stiftungsmagazins «The Philanthropist».
SRF: Nicht die Stifterin entscheidet über die Vergabe ihres Vermögens von 25 Millionen Euro, sondern ein repräsentativer Rat von 50 Bürgerinnen und Bürgern zwischen 16 und 85 Jahren. Das klingt nach einer innovativen Idee.
Takashi Sugimoto: Die Vergabe hat durchaus innovative Aspekte, vor allem wenn man sie mit traditionellen Vergabepraktiken vergleicht. Und weil Marlene Engelhorn ihr eigenes Vermögen vergibt. Aber es gibt natürlich auch andere Organisationen, die neue Formen ausprobieren, gerade auch in der Schweiz.
An welche Vergabemodelle denken Sie da?
Es gibt beispielsweise die Stiftung SKKG in Winterthur, die ebenfalls eine Vergabe mit Bürgerinnen und Bürgern durchführt. In der Westschweiz gibt es «Demaimpact», die die Vergabe mit einem Rat junger Menschen organisiert. Es gibt also verschiedene Projekte.
SRF: Dieser Bürger- und Bürgerinnen-Rat ist also nicht ganz neu. Bedeutet das Vergabemodell mit Laien mehr Demokratie bei der Geldvergabe?
Es bedeutet mehr Transparenz. Das partizipative Modell bezieht durchaus Menschen mit ein, die normalerweise nicht in solchen Gremien sitzen.
Wie wird entschieden, was gefördert wird? Welche Gedanken und Prioritäten stehen im Vordergrund?
Das wird oft sehr individuell entschieden, wer, wo, was spendet. Gerade bei so grossen Summen ist natürlich auch die Nachhaltigkeit der Unterstützung entscheidend. Nicht, dass die Förderung verpufft.
Nun gehen 25 Millionen Euro an 77 Institutionen in Österreich – und zwar breit gestreut: Der Naturschutzbund bekommt etwas, Frauenhäuser, Obdachlosenvereine, die Caritas, Feuerwehren, der Bergrettungsdienst. Dafür gab es in den Medien teilweise Kritik, das Geld werde nach dem Giesskannenprinzip zu breit und ohne Priorisierung verteilt. Wie sehen Sie das?
Da kann man natürlich unterschiedlicher Meinung sein. Der Rat war ja schon von der Organisation her so aufgestellt, dass er verschiedene Themen abdeckt. Wenn man an Nachhaltigkeit denkt, kann es umgekehrt auch schwierig sein, wenn man nur eine Organisation berücksichtigt.
Ziel des gesamten Unternehmens ist es, Ungleichheiten in der Gesellschaft abzubauen und benachteiligten Menschen mehr Chancen zu geben. Wäre es dafür sinnvoller, statt 77 nur ein oder zwei Projekte zu unterstützen?
Man muss auch die eigenen Grenzen erkennen. Stiftungen und der philanthropische Sektor können viel bewegen, aber sie haben auch Grenzen im Vergleich zu den Möglichkeiten eines Staates oder der Privatwirtschaft. Die Philanthropie kann vieles anstossen und bewegen, aber sie kann nicht die Funktionen des Staates oder der Privatwirtschaft übernehmen.
Das Interview führte Raphael Zehnder