- Unter dem Motto «No fear to be with you» möchte das Zurich Pride Festival dieses Jahr auf die Situation von LGBT-Flüchtlinge aufmerksam machen.
- Im Schweizer Asylgesetz sind die sexuelle Orientierung und die Geschlechteridentität nicht explizit als Fluchtgrund anerkannt.
- LGBT-Flüchtlinge sind besonders verletztlich, weil sie oft auch in der Schweiz nicht über ihre Sexualität sprechen können und sich von ihrem Umfeld bedroht fühlen.
Schwul im Irak – das kann gefährlich sein. Viele konservative Muslime betrachten Homosexualität als Sünde. Ist ein Familienmitglied schwul, lesbisch oder transgender, ruiniert das in deren Augen den Ruf der ganzen Familie. LGBT-Menschen drohen deshalb Ausgrenzung, Gewalt oder gar der Tod.
Diese traurige Erfahrung machte auch Karim (Name geändert). «Als meine Eltern erfuhren, dass ich schwul bin, haben sie mich bedroht», erzählt der 37-jährige Iraker. Es kam zu Gewalt und Streit in der ganzen Familie. Er musste sein Land fluchtartig verlassen.
Zuerst lebte er in Jordanien, aber auch dort war er vor seiner Familie und Verwandtschaft nicht in Sicherheit. Deshalb zog er vor einem Jahr in die Schweiz und stellte einen Asylantrag.
Auch in der Schweiz bedroht
«Das ist eine typische Geschichte», sagt Jakob Keel. Er betreut bei der Organisation Queeramnesty ehrenamtlich LGBT-Flüchtlinge wie Karim. Und er weiss auch: Mit der Ankunft in der Schweiz sind die Probleme für Menschen wie ihn nicht vorbei. «Sie müssen sich sehr oft auch hier verstecken. Sie werden auch hier angepöbelt und auch hier gibt es Gewalt.»
Denn meistens lebten sie monate- oder sogar jahrelang in Asylunterkünften. Dort seien sie umgeben von Leuten, die aus genauso homophoben Kulturen stammten. «Sie fühlen sich auch hier nicht nur bedroht, sie sind es auch», konstatiert Keel.
Zudem konnten LGBT-Flüchtlinge oft ihr Leben lang nie über ihre Homosexualität sprechen. «Das können sie dann nicht plötzlich, wenn sie hier ankommen – obwohl das ihrem Fall vor den Migrationsbehörden helfen würde.» All das kommt zur grossen Belastung hinzu, die eine Flucht in ein fremdes Land ohnehin mit sich bringt.
Schweiz ist eher restriktiv
Die sexuelle Orientierung und die Geschlechteridentität sind im Schweizer Asylgesetz nicht explizit als Fluchtgrund anerkannt – im Gegensatz zu frauenspezifischen Fluchtgründen wie Zwangsheirat oder Beschneidung.
Die Verfolgung aufgrund der sexuellen Orientierung oder der Geschlechteridentität kann zwar in der Schweiz durchaus zu Asyl führen. Dazu müssen die Flüchtlinge aber glaubhaft machen, dass sie lesbisch, schwul oder transgender sind. Das kann sehr schwierig sein. Jakob Keel fordert deshalb: «Es braucht für diese Befragungen Fachpersonen mit speziellem Training, die solche Fälle beurteilen können.»
Die Migrationsbehörden sind heute in LGBT-Fragen sensibilisierter als noch vor einigen Jahren. Die Argumentation etwa, dass Schwule oder Lesben ihre Sexualität in ihrer Heimat «diskret» ausleben können und deshalb kein Asyl erhalten, gebe es heute nicht mehr, heisst es beim Staatssekretariat für Migration.
«Es muss noch sehr viel passieren»
Trotzdem macht Jakob Keel immer wieder die Erfahrung, dass LGBT-Menschen abgewiesen werden. «Es wird dann einfach ein anderer Grund gesucht», meint er. Auch wenn er optimistisch in die Zukunft schaut, findet Keel: «Es muss noch sehr viel passieren.»
Deshalb freut er sich, dass sich die Veranstalter der Pride in Zürich mit dem diesjährigen Demonstrationsumzug für mehr Sicherheit für LGBT-Flüchtlinge einsetzen: «Viele Leute werden zum ersten Mal in ihrem Leben über die Situation dieser Menschen nachdenken.»
«Wenn ich zurückkehre, dann töten sie mich.»
Auch Karim wird am Samstag an der Pride mitmarschieren. Seit fast einem Jahr wartet er nun auf die Befragung durch das Staatssekretariat für Migration. Dass er nicht weiss, wie es in seinem Leben weitergeht, belastet ihn. Die Aussichten auf Asyl sind ungewiss.
Eine Rückkehr in den Irak schliesst Karim jedoch kategorisch aus: «Meine Eltern haben den Kontakt abgebrochen. Sie haben mir gedroht: Wenn ich in den Irak, nach Jordanien oder in ein anderes arabisches Land zurückkehre, dann töten sie mich.»